Flugkapitän und Co-Pilot schwenken am Montag in Stuttgart die deutsche Flagge und eine Flagge der Vereinigten Arabischen Emirate, bevor der Erstflug nach Abu Dhabi startet Foto: Günter E. Bergmann

Wer an den Persischen Golf reisen oder dort zu entfernteren Zielen umsteigen will, muss nicht mehr erst nach Frankfurt oder München fliegen oder fahren. Er kann nun auch in Stuttgart zum Direktflug abheben – und das ist gut, meint der Landesverkehrsminister.

Stuttgart - Der Flugkapitän Stefan Wulf und sein Co-Pilot Frank Glander sind am Montag mit 110 Passagieren zum ersten, fünfstündigen Direktflug von Stuttgart ins Emirat Abu Dhabi gestartet. Um 10.30 Uhr rollte der Airbus 320 der Air Berlin los. Rund zwei Stunden zuvor hatten die Reisenden am Flugsteig orientalische Leckereien serviert bekommen – und einen Klartext redenden Grünen-Minister Winfried Hermann erlebt.

Mit dem Fahrrad oder dem Auto könne man nicht an den Persischen Golf fahren, manchmal müsse man halt fliegen, sagte Hermann. Und als Aufsichtsratschef der Flughafen Stuttgart GmbH, aber auch als Ökopolitiker ist es ihm dann lieber, wenn die Reisenden in Stuttgart ohne Umwege zu ihrer Wunschdestination aufbrechen können. Der Direktflug Stuttgart-Abu Dhabi sei ökologisch und ökonomisch zu rechtfertigen. Die hiesige Wirtschaft wünsche ihn, denn viele Unternehmen seien global aktiv.

Und wenn schon, denn schon! „Baden-Württemberg ist nicht dazu da, die Flughäfen in anderen Bundesländern mit Passagieren zu füttern – und wir sind auch nicht Patron einer Fluggesellschaft“, sagte Hermann. Das war sein Kommentar dazu, dass die Bundespolitik unter der Regie der Kanzlerin die deutsche Lufthansa und die deutschen Drehkreuze gegen Fluggesellschaften vom Golf abzuschotten versucht. Mit Flügen wie dem, der am Montag von Air Berlin sowie ihrer Partnergesellschaft und Teileigentümerin Etihad eingeführt wurde, kommt so mancher Passagier in Abu Dhabi zu einem Drehkreuz, das ihm Etihad-Anschlussflüge zu mehr als 20 weiteren Zielen eröffnet.

Ein Ehepaar aus Stuttgart-Freiberg, das mit einem Ticket zu je 603 Euro nach Bangkok aufbrach, wusste das zu schätzen. „Hoffentlich hat diese Verbindung Bestand“, sagte die Frau, „das ist viel angenehmer, als zuerst nach Frankfurt zu reisen.“

Passagiere wie die beiden werden in Frankfurt oder München fehlen, wo die Lufthansa ihre Flüge nach Übersee startet. Der Minister hat aber kein Mitleid. „Wir sind nicht dafür da, das Drehkreuz Frankfurt zu schützen“, sagte er. Die Landesregierung werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass Stuttgart von allen Airlines der Golfregion angeflogen werden kann. Auf der anderen Seite werde man alles dafür tun, dass der Flugverkehr möglichst umweltverträglich ablaufe, sagte Hermann. Er warb auch gleich dafür, dass Passagiere bei der Organisation Atmosfair einen kleinen Aufpreis für Klimaschutzmaßnahmen zu bezahlen.

Für den Flughafen und die exportorientierte Wirtschaft der Region sei der Erstflug nach Abu Dhabi „ein ganz großer Moment“, sagte Flughafendirektor Georg Fundel. Dies umso mehr, als der Direktflug zeitweilig bedroht war. Etihad konnte mangels Luftverkehrsrechten nicht selbst fliegen. Aber auch Air Berlin war zeitweise im Visier, weil die Fluggesellschaft zwar deutsch ist, aber von Etihad über die Finanzbeteiligung beherrscht sein könnte. Das Bundesverkehrsministerium gab dann grünes Licht – wie üblich für den jeweiligen Flugplan, also zunächst bis Ende März. Jetzt wird die Verbindung im Codesharing-Verfahren betrieben. Etihad kann die eigenen Passagiere auf dem Air-Berlin-Flug durchbuchen.

Armin Dellnitz von der Tourismuswerbung Stuttgart-Marketing freut sich über die Neuerung. Seit zehn Jahren wachse das Golf-Geschäft um zweistellige Prozentzahlen. Eine zeitsparende Direktverbindung zu günstigen Tageszeiten habe besondere Effekte. Das werde man in der Übernachtungsbilanz merken. Die abwechslungsreiche Landschaft und die Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg würden exakt zu den Wünschen der verhältnismäßig lang verweilenden Touristen vom Golf passen – und das Shopping-Angebot, das in Stuttgart ja gerade noch gewachsen sei. Bleibe zu hoffen, dass das Angebot beständiger sei als die frühere, von der Airline Qatar angebotene Verbindung ins Emirat Katar. Damals sei das Angebot dünn und weniger attraktiv gewesen, jetzt wird täglich geflogen.

Der Auftakt mit 110 von 144 möglichen Passagieren sei nicht übel, hieß es bei Air Berlin. Damit liege man schon bei 70 Prozent Auslastung, dabei habe man im Ticketverkauf noch nicht alle Register gezogen.

Flug Nummer AB7222 von Stuttgart nach Abu Dhabi startet täglich planmäßig um 10.30 Uhr. Die Flugdauer beträgt rund fünf Stunden. Der Flug von Abu Dhabi nach Stuttgart beginnt um 2.50 Uhr Ortszeit und trifft um 6.55 Uhr hiesiger Zeit in Stuttgart ein. Abu Dhabi ist Drehscheibe für Reisende nach Indien, China und Australien.

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