Fahrbahnerneuerung auf einer Autobahn in Bayern – wegen der Hitze kam es zu Schäden. Künftig sollen die Landesstraßenbauverwaltungen dafür nicht mehr zuständig sein. Foto: dpa

Der geplante Aufbau einer Bundesfernstraßengesellschaft stößt auf politischen Widerstand. Grüne und Linke äußern die Sorge, dass es nur um die „Rendite“ privater Investoren gehe. Auch Landesverkehrsminister Hermann (Grüne) äußert Zweifel.

Stuttgart - Mit der Einigung beim Länderfinanzausgleich ist auch der Aufbau einer Bundesfernstraßengesellschaft beschlossen worden: Die Länder sollen nach einer Grundgesetzänderung im Sommer 2017 im Prinzip alle Aufgaben, die mit einer Autobahn oder Bundesstraße verbunden sind, künftig an eine Gesellschaft des Bundes abgeben: „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ soll sie heißen, und das Planen, den Bau, das Betreiben, die Unterhaltung sowie die Finanzierung „aus einer Hand“ vornehmen.

Die bundesweit rund 30 000 Beschäftigten in den Landesstraßenbauverwaltungen sind erheblich verunsichert. In den Regierungspräsidien und den Autobahnmeistereien Baden-Württembergs sind es rund 2000. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) spricht von großer Sorge unter den Mitarbeitern, kann aber auch zwei Wochen nach der Einigung kaum beruhigende Details nennen: „Leider hat uns der Bund trotz mehrfacher Nachfrage noch nicht gesagt, wie es weitergeht“, sagte er unserer Zeitung. Fest steht, dass die Fernstraßen im Bundesbesitz bleiben. Details soll jetzt Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) mit den Chefs der 16 Staatskanzleien aushandeln.

Ein SPD-Minister bezweifelt, dass der Bund besser plant

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den Kompromiss beim Länderfinanzausgleich mitgetragen – sein Verkehrsminister ist wenig begeistert. Den Vorwurf des Bundes, die Länder seien nicht effizient beim Straßenbau und riefen die Finanzmittel nicht ab, weist er für Baden-Württemberg zurück: Man habe rasch auf eine Mittelerhöhung reagiert und stelle jährlich 50 neue Mitarbeiter ein. „Wir sind bei den Investitionen in Erhalt und Ausbau der Straßen seit Jahren vorne mit dabei.“

Auf Missfallen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) war gestoßen, dass bei einer großen Mittelfreigabe im September sechs Länder kein einziges baureifes Straßenprojekt vorlegen konnten. Bayern stand am besten da mit sieben Projekten für 314 Millionen Euro, gefolgt von Baden-Württemberg mit vier Projekten für 282 Millionen Euro. Nordrhein-Westfalen stellte nur ein einziges Projekt vor. Dass der Bundesverkehrsminister effizienter planen möchte, das wird ihm auch von der Opposition zugebilligt – wenngleich Experten Zweifel hegen, ob er es selber kann. Auch der Verkehrsminister von Schleswig-Holstein, Reinhard Meyer (SPD), stellte kürzlich im Landtag in Zweifel, „ob der Bund es besser kann“. Sowohl das Eisenbahnbundesamt wie auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltlung des Bundes seien vom Personalmangel genauso betroffen wie die Länder.

Kritik der Opposition entzündet sich an einer Zielvorgabe, die Dobrindt sowie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegeben haben: „Die neue Gesellschaft hat die Möglichkeit, für einzelne Projekte im Rahmen der Wirtschaftlichkeit ÖPP-Verträge zu vergeben und Investoren daran zu beteiligen.“ ÖPP-Projekte sind öffentlich-private Partnerschaften, bei denen Privatunternehmen beispielsweise den Bau, Betrieb und Erhalt von Autobahnabschnitten übernehmen. Es gibt sie bereits auf Betreiben des Bundes in Baden-Württemberg (etwa auf der A 5, künftig auch auf der A 6). Im Gegenzug erstattet der Staat den Privaten die Bau- und Unterhaltungskosten und zahlt ihnen eine Rendite. „Der Nachteil von ÖPP ist, das sie auf lange Sicht den Steuerzahler mehr Geld kosten, weil die Investoren eine ordentliche Rendite wollen“, sagt Minister Hermann. Auch der Bundesrechnungshof habe die Wirtschaftlichkeit einzelner ÖPP-Projekte bezweifelt. So stellten die Rechnungsprüfer 2013 fest, dass es bei fünf von sechs in ÖPP gebauten Autobahnen zu Mehrkosten von zwei Milliarden Euro gekommen sei. Jüngst monierten die Prüfer, dass meist große Firmen ÖPP-Aufträge erhielten, dass die teurer sein könnten als kleine Unternehmen, müsse einkalkuliert werden.

Private profitieren, der Steuerzahler hat das Nachsehen?

Der grüne Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, sieht nicht nur die ÖPP, sondern auch den geplanten Einstieg privater Investoren im Autobahngeschäft kritisch: „Offensichtlich will die Bundesregierung einen Freibrief zur Privatisierung für Bau und Bewirtschaftung von Fernstraßen im Grundgesetz festklopfen. Damit könnte sie Versicherungen und Banken attraktive Investitionsmöglichkeiten zu schustern, während die Steuerzahler die Zeche für die höheren Kosten zahlen müssten“, sagte Anton Hofreiter unserer Zeitung. Er hoffe, so der Fraktionschef, dass sich die Ministerpräsidenten von Finanzminister Wolfgang Schäuble und Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) „nicht täuschen lassen“.

Ins gleiche Horn stößt Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag: Die Beteiligung privater Kapitalanleger werde die Allgemeinheit „teuer zu stehen“ kommen, sagt sie. „Zinsforderungen und Renditen werden die Kosten nach oben treiben.“ Auch werde die Zentralisierung der Aufgaben mehr Probleme schaffen als lösen. Leidig: „Die Arbeitsplätze vieler Tausender Beschäftigter werden bedroht und entwertet.“