Keine Gastredner der Parteien für den Impfprotest in Kernen. Foto: stz/Pascal Thiel

Fast alle politischen Akteure in Kernen wollen sich nicht von Impfkritikern vor den Karren spannen lassen.

Kernen - Ist es eine gut gemeinte Einladung zum offenen Dialog oder der Versuch, die kommunalen politischen Akteure in Kernen fürs eigene impfskeptische, ins Naturheil-Esoterische oder andernorts gar in rechtslastige driftende Politausflüge einzuspannen? Das ist offenkundig die Frage gewesen, die sich von Bürgermeister Benedikt Paulowitsch über die im Rat vertretenen Parteien und fast alle Listen bis hin zur Linken angesichts eines schriftlichen Angebots der „Bürgerinitiative Freiheit Gesundheit“ gestellt haben. „Wir haben im Ort deshalb eine Bürgerinitiative gegründet und möchten auch andere wissenschaftliche Erkenntnisse und Sichtweisen diskutieren und publizieren“, heißt es darin. „Jeder Diskutant kann gerne seine Position in drei bis vier Minuten vorstellen.“

Bürgermeister: Es gibt Grenzen

Alle zum Rapport beim Coronaprotest Gebetenen – bis auf das personell teils mit der einschlägigen Szene verwobene Parteifreie Bündnis – haben das Angebot abgelehnt. Die vom Bürgermeister formulierte und von Vertretern CDU, SPD, FDP, UFW, OGL sowie Grünen und Linke unterzeichnete Begründung im Wortlaut: „Es stimmt, dass Demokratie insbesondere vom Austausch, vom Dialog und vom Aushalten unterschiedlicher Meinungen lebt. Doch genauso gibt es für überzeugte Demokratinnen und Demokraten Grenzen.“

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Und weiter: „Über Ihre bisherigen Veranstaltungen und Demonstrationen und deren Inhalt sind wir informiert. Einige von Ihnen haben sich bereits in der Vergangenheit an manche von uns mit Thesen und Meinungen gewandt. Wir sehen daher keinerlei gemeinsame Gesprächsgrundlage. Die Propagierung von alternativen Heilmethoden für die Bekämpfung einer weltweiten Pandemie mit über fünf Millionen Toten, die gleichzeitige und dadurch widersprüchliche Negierung der Gefahren, der Vorwurf diktatorischer Züge bei gleichzeitiger Wahrnehmung demokratischer und rechtsstaatlicher Instrumente wie Demonstrationen widerspricht nicht nur sich selbst, sondern auch allen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Forderung nach Distanzierung von antisemitischem Gedankengut

Zudem haben wir die Wahrnehmung, dass Einzelne von Ihnen Thesen und Meinungen vertreten, die sich nicht im Rahmen dessen bewegen, was unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und das Grundgesetz als Rahmen vorgeben. Wir erwarten, dass sich die Unterzeichner des Briefes und die Organisatoren von Demonstrationen und ‚Spaziergängen’ klar von Personen und Gruppen distanzieren, die nach unserem Empfinden antisemitisches und rassistisches Gedankengut vertreten und verbreiten. Wir empfehlen allen unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern dringend und aus tiefster Überzeugung, sich von Veranstaltungen mit derlei Inhalt zu distanzieren und sich nicht an diesen zu beteiligen. (...) Für unsere lebendige Demokratie spricht, dass in Gremien, aber auch den Medien viele Beschlüsse und Instrumente kritisch und kontrovers diskutiert werden. Dies zeigt sich auch durch Gerichtsentscheidungen, die keineswegs durchgehend exekutive Maßnahmen bestätigen. Angesichts der großen Herausforderung freuen wir uns umso mehr über den großen Zusammenhalt unserer Bürgerschaft und den Einsatz so vieler Einzelner für die Mitmenschen. Wir sagen daher unsere Teilnahme an der Veranstaltung gemeinschaftlich ab und sind uns sicher, dass wir damit auch die Überzeugung der überwiegenden und schweigenden Mehrheit hier in Kernen widerspiegeln.“