Wirtschaftsminister Gabriel sagt, dass die EZB-Politik den Rechtspopulisten Auftrieb gibt. Foto: dpa

Der Vizekanzler und Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, übt scharfe Kritik an der Politik der Europäischen Zentralbank. Europa vernachlässige Wachstumsimpulse und setze viel zu sehr auf Konsolidierung.

Berlin - Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die europäische Politik scharf kritisiert, weil sie sich allein auf das Gelddrucken durch die Europäischen Zentralbank (EZB) verlasse. Europa werde nicht aus der Krise kommen, wenn die Politik allein auf die lockere Geldpolitik baue. Die Grenzen der Niedrigzinspolitik seien erreicht, sagte Gabriel bei der Vorstellung der Konjunkturprognose der Bundesregierung. „Die EZB handelt als Ersatz-Wirtschaftsministerium. Dafür ist sie nicht gemacht“, sagte Gabriel, der damit den Versuch der EZB beschrieb, durch die Nullzinspolitik die Nachfrageschwäche in Europa zu überwinden. Den Kern des Übels sieht der Vizekanzler aber nicht bei der EZB. „Das Spiel Bad Guy (böser Junge) EZB, das muss ein Ende haben.“ Ursache für die Überforderung der Notenbank ist aus Gabriels Sicht die falsche Finanz- und Wirtschaftspolitik im Euroraum.

Die Sparpolitik im Euroraum verhindere, dass mehr investiert werde. Um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakets einzuhalten, müssten die Eurostaaten bei den Investitionen und damit an der falschen Stelle kürzen. Gabriel betonte, er wolle nicht Konjunkturprogrammen das Wort reden. Er wende sich auch nicht gegen Reformen. Notwendig sei aber mehr Spielraum in den Haushalten, um die Wachstumsschwäche in Europa zu überwinden. Der Wirtschaftsminister ging damit auf Distanz zu Finanzminister Wolfgang Schäuble(CDU). Der Grund für die schwache Wirtschaftsentwicklung in Europa liege in der mangelnden Bereitschaft, den Sparkurs aufzugeben, sagte Gabriel.

Defizite auf europäischer Ebene

Auf europäischer Ebene gebe es zwar ein ausgefeiltes System, um die Finanzstabilität der Euroländer zu überwachen. Gabriel nannte den Rat der europäischen Finanzminister. Woran es aber mangele, seien Organe, die sich um Wachstumsimpulse kümmerten. Gabriel rügte das „ökonomisch destruktive Konsolidierungsregime“ der EU. Er kündigte an, dass er auf einer Konferenz mit den sozialdemokratischen Regierungschefs in Europa das weitere Vorgehen beraten werde. Europas Sozialdemokraten ist der Stabilitäts- und Wachstumspaket seit Langem ein Dorn im Auge.

Die extreme Niedrigzinspolitik bezeichnete Gabriel als problematisch für Deutschland. Das Anwerfen der Druckerpresse sei keine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Gabriel sagte, die schädlichen Nebenwirkungen der laschen Geldpolitik nähmen überhand. Dies spürten beispielsweise Sparer und Arbeitnehmer mit Betriebsrenten. Der Wirtschaftsminister kritisierte auch, dass der Staat der heimliche Profiteur der Geldpolitik sei, denn er müsse für seine Staatspapiere nur geringe Zinsen zahlen. Der Wirtschaftsminister wiederholte die frühere Warnungen von Finanzminister Schäuble, der die Niedrigzinspolitik als eine Ursache dafür ansieht, dass die Rechtspopulisten in Europa Aufwind verspüren.

Etwas schlechtere Konjunkturprognose

Die Bundesregierung nimmt ihre Konjunkturprognose für das nächste Jahr leicht zurück. Für dieses Jahr erwartet die Regierung unverändert ein Wachstum von 1,7 Prozent. Im nächsten Jahr wird ein Plus von 1,5 Prozent erwartet. Grund dafür sei, es zwei Feiertage mehr gebe und somit weniger gearbeitet werde. Skeptisch beurteilt Gabriel die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP. „Die Verhandlungen haben sich festgefressen“, sagte er. Für die Europäer sei es wichtig, dass die USA ihre Märkte öffneten. Wenn in diesem Punkt keine Fortschritte erzielt würden, sei es auch vorstellbar, dass das Abkommen scheitert, meinte Gabriel.