Matthias Filbinger auf seinem kleinen Sitzplatz in der Haußmannstraße Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das Stuttgarter Baurechtsamt steht seit Jahren in der Kritik. Zuletzt hat sich die Lage dort etwas entspannt. Doch jetzt droht ein Rechtsstreit um einen kleinen Sitzplatz in einem Vorgarten. Es geht um 18 Platten, hohe Gebühren und um einen ganz speziellen Bebauungsplan.

Stuttgart - Eigentlich ist Matthias Filbinger sichtlich stolz auf das, was er in der Haußmannstraße geschaffen hat. In einem Haus, dessen Mitbesitzer er ist, stand lange eine Ladenfläche leer. Also entschied man sich, die Erdgeschossräume in Wohnraum umzuwandeln. „Wir haben dort eine WG für junge Leute draus gemacht“, sagt Filbinger. Mit viel Aufwand ist das Haus mit speziellen Steinen unten neu aufgebaut worden. Und einen kleinen Vorgarten hat der Mann, der eine Beratungsfirma für Start-ups betreibt, auch gleich angelegt: „Etwas Grün kann ja nicht schaden, dachten wir.“

Für die Behörden ist das alles in Ordnung. Zwar gibt es da schon teils schwer nachvollziehbare Auflagen wie ein Geländer um den Vorgarten, damit keiner auf den Gehweg fällt. Der liegt an der Stelle mit dem größten Höhenunterschied rund einen Meter tiefer. Doch dann kommt Filbinger auf die Idee, für die künftigen Bewohner dort einen kleinen Sitzplatz einzurichten. 18 Platten, eine Fläche von 1,20 mal 2,40 Meter plus Bambus-Umzäunung. Platz für einen kleinen Tisch und vier Stühle.

Das fällt einem Mitarbeiter des Baurechtsamts auf. Es entspinnt sich ein Briefwechsel. Und dann flattert Filbinger ein Gebührenbescheid ins Haus. Unter anderem für die „Befreiung von baurechtlichen Vorschriften“ werden 602 Euro fällig. Er beschwert sich. Daraufhin heißt es, wenn er Widerspruch einlege, müsse er für dessen Bearbeitung mit Kosten von mindestens weiteren 200 Euro rechnen. „Das werte ich als Einschüchterungsversuch“, sagt er. Und er kritisiert: „Ich weiß bis heute nicht, wogegen ich verstoßen haben soll.“

Bauherr will vor Gericht gehen

Er werde die Geschichte vor Gericht durchziehen, kündigt Filbinger an: „Mir geht es nicht um das Geld, sondern um das Grundsätzliche. Das kommt mir wie Willkür vor.“ Er merkt an, dass es Architekten gebe, die in Stuttgart nicht mehr bauten, weil das hiesige Baurechtsamt mittlerweile einen zweifelhaften Ruf genieße. „Mal abgesehen vom fehlenden Tempo wirft man einem dort nur Knüppel zwischen die Beine“, sagt auch der Vertreter eines großen Bauträgers. In anderen Städten laufe vieles besser.

„Für uns war der Fall aus der Haußmannstraße eigentlich ein unspektakulärer Vorgang“, sagt Kirsten Rickes. Die Leiterin des Baurechtsamts verweist darauf, dass bei der Gestaltung des Vorgartens von Anfang an einiges anders ausgeführt worden sei als besprochen. Nach längeren Diskussionen habe Filbinger schließlich einen Bewilligungsantrag für den Sitzplatz eingereicht. Nötig sei das, weil an manchen Straßen in der Stadt die Vorgärten als „zu begrünende Flächen“ im Bebauungsplan eingetragen seien. So auch hier, obwohl dort vorher nur Asphalt gewesen ist. Das bedeutet, dass der Besitzer auf seiner Fläche nicht tun darf, was er will. Weil auch eine Mini-Terrasse als „bauliche Anlage“ gilt, braucht es eine Genehmigung. „Wir haben den Fall geprüft und im Sinne des Bauherren entschieden. Dafür fällt eine Gebühr an, die der Gemeinderat festgelegt hat. Das würfelt ja niemand aus, und wir müssen uns daran halten“, so Rickes.

Baurecht wird immer komplizierter

Dem Vorwurf der Willkür tritt sie entschieden entgegen – auch wenn sie Verständnis für manche Ratlosigkeit zeigt. „Ich verstehe durchaus, dass es für baurechtliche Laien oft schwer nachvollziehbar ist, warum im einen Fall anders entschieden wird als in einem vergleichbaren anderen“, sagt die Amtsleiterin. Das Baurecht sei in den vergangenen Jahren sehr kompliziert geworden, die Aufgaben seien gewachsen. „Wir haben in Stuttgart ein Puzzle aus Bebauungsplänen aus mehreren Jahrhunderten“, sagt sie. Man könne das Baurecht nur so nehmen, wie es eben sei.

Generell sieht Rickes ihr Amt besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren. Die Bearbeitungszeit für Baugenehmigungen sei im vergangenen Jahr bei 63,5 Kalendertagen gelegen. Sechs Jahre zuvor waren es noch 82 Tage. „Damit liegen wir landesweit ganz gut“, so Rickes. „Allerdings gibt es immer noch Bereiche, wo wir Bedarf haben, zum Beispiel bei der Baukontrolle in den Außenbezirken.“ Da sei so mancher Schwarzbau in die Höhe gewachsen, weil man sich zuletzt auf die schnellere Bearbeitung der Baugenehmigungen konzentriert habe.

Zumindest im Fall von Filbingers Mini-Terrasse hat die Kontrolle funktioniert. Mehr, als der Bauherr nachvollziehen kann. Jetzt soll ein Vor-Ort-Termin mit Baubürgermeister Peter Pätzold die Lage klären.