Die Änderung des Landesplanungsgesetzes am 9. Mai sei nicht genug durchdacht, die konkreteren Vorgaben des sogenannten Windenergieerlasses zu schwammig, hieß es jüngst im regionalen Planungsausschuss. Foto: dpa

Chefplaner Kiwitt hält auch neue Vorgaben für zu schwammig – Unternehmen fürchtet um gute Standorte.

Stuttgart - Die Kritik an den Windkraftplänen der Landesregierung reißt nicht ab. Die Änderung des Landesplanungsgesetzes am 9. Mai sei nicht genug durchdacht, die konkreteren Vorgaben des sogenannten Windenergieerlasses zu schwammig, hieß es jüngst im regionalen Planungsausschuss. Die Wirtschaft beklagt zudem, dass das Land seine Ziele verwässert.

Sebastian Grosch von der Bietigheimer Niederlassung des Bremer Windkraftunternehmens WPD bedauert vor allem, dass das Land die Mindestwindgeschwindigkeit in 100 Meter Höhe von eigentlich beabsichtigten 5,5 auf durchschnittlich 5,25 Meter pro Sekunde heruntersetzt. „Das ist nach unserer Ansicht zu wenig“, so Grosch. Wirtschaftlich tragfähig sei eine Windkraftanlage erst ab mindestens 5,7 oder 5,8 Metern pro Sekunde, weil dann auf der aktuell üblichen Nabenhöhe von 135 Metern der Wind mit mehr als sechs Metern blase. „Und das ist auch noch nicht toll“, sagt Sebastian Grosch. Bei den allermeisten der rund 1400 Anlagen, die WPD seit 1996 zwischen Galgenberg in Hessen und Guanyin in Taiwan gebaut hat, ist der Wind kräftiger. WPD-Sprecher Grosch befürchtet, dass Kommunen und Regionalverbände der Windkraft nun in Bereichen Vorrang einräumen, die für die Branche unattraktiv sind, und die eigentlich interessanten Gebiete aussparen. Diese finden sich auf Anhöhen wie dem Albtrauf, sind von weither sichtbar und deshalb am Ort umstritten. In der Region Stuttgart gilt etwa der westliche Schurwald als tabu, weil sich im Hintergrund der Grabkapelle des Hauses Württemberg bei Stuttgart- Rotenberg keine Rotoren drehen sollen.

„Man muss fragen, ob die Landesregierung noch an ihre 1200 Windräder bis 2020 glaubt“

Grosch warnt außerdem vor Bauruinen, wenn Bürgergenossenschaften im Vertrauen auf die Tragfähigkeit eines Vorranggebietes ein Windrad erstellen und ihnen mangels Stromausbeute nachher die Luft ausgeht. Dies könne insbesondere passieren, wenn die Finanzierung ohne Banken über die Bühne geht, die die Wirtschaftlichkeit mit eigenen Experten genau unter die Lupe nehmen würden. „Wichtig ist, dass man anstrebt, auch die guten Standorte auszuweisen“, sagt Grosch, dessen Firma an dem geplanten Standort bei Lauterstein im Kreis Göppingen dran ist.

Das Land listet im Erlass zahlreiche Einschränkungen auf. So sollen Windräder etwa zu Naturschutzgebieten einen Abstand von rund 200 Metern haben, in Landschaftsschutzgebieten ist vor einem Bau die jeweilige Schutzgebietsverordnung zu ändern – ein kompliziertes Verfahren. Auch das Unesco-Biosphärenschutzgebiet Schwäbische Alb ist zu großen Teilen tabu.

„Man muss fragen, ob die Landesregierung noch an ihre 1200 Windräder bis 2020 glaubt“, sagte der Nürtinger Ex-OB Alfred Bachofer (Freie Wähler) jüngst im Planungsausschuss der Regionalversammlung. Außerdem bemängelte Bachofer, dass die Frist, zu der die alten Windkraftpläne der Regionalverbände aufgehoben werden, nur um drei Monate bis zum 31. Dezember verschoben wurde.

Schwammigkeit“ des Erlasses bemängelt

Kai Buschmann (FDP) bemängelte die „Schwammigkeit“ des Erlasses, während Regionalplaner Thomas Kiwitt die Diskussion dort angekommen wähnt, „wo sie hingehört: auf dem Boden der Tatsachen“. Durch die Absenkung der Windstärke werden zu den über 80 Standorten, die noch in der Untersuchung sind, weitere zwei bis drei dazukommen: etwa das Lange Feld zwischen Stuttgart und Ludwigsburg.

Kiwitt kritisiert, dass die Landesregierung mit 5,3 Metern pro Sekunde einen Wert nennt, der im Windatlas gar nicht vorkommt, und dass sie einen Referenzertrag wünscht, der von der Anlage abhängt. Kiwitt: „Das ist, als würde man Parkhäuser planen, in die nur ein bestimmtes Auto passt.“ Unterm Strich sagte Kiwitt Konflikte voraus, wenn der neue Regionalplan spätestens nach dem Sommer vorliegt, weil die Region zwar Standorte ausweisen muss, die Kriterien aber nicht klar darlegen kann. „Dinge wie der Erlass“, mokierte sich Kiwitt, „machen uns das Leben nicht leichter.“