Auf manche Sitzung wären die Stadträte gerne besser vorbereitet. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

13 Monate. Solange hat es zuletzt gedauert, bis die Stadtverwaltung die Anfrage einer Gemeinderatsfraktion beantwortet hat. Viele Stadträte klagen, das sei längst keine Ausnahme mehr. Die Fraktion SÖS/Linke-plus hat jetzt die Kommunalaufsicht eingeschaltet.

Stuttgart - Im Gemeinderat rumort es gewaltig. Mehrere Fraktionen sind der Meinung, immer häufiger nur schlecht informiert ihrer Arbeit nachgehen zu können. Der Grund: Ihrer Ansicht nach antwortet die Stadtverwaltung mit OB Fritz Kuhn an der Spitze viel zu selten in angemessener Zeit auf Anfragen und Anträge. „Das ist ein grundsätzliches Problem, mit dem wir, aber auch andere Fraktionen zu kämpfen haben“, sagt Christoph Ozasek von SÖS/Linke-plus. Laut Geschäftsordnung sei vorgesehen, dass Antworten innerhalb von drei Wochen erfolgten, bei grundsätzlicher Bedeutung des Themas oder der Beteiligung mehrerer Stellen innerhalb von sechs. „Doch manchmal gehen inzwischen Jahre ins Land“, kritisiert Linken-Stadtrat Ozasek.

Jüngstes Beispiel: Eine Anfrage der Fraktion zur Videoüberwachung. Der zugegeben umfangreiche Fragenkatalog datiert vom Mai 2017. Die sechsseitige Antwort kommt 13 Monate später. „Neulich haben wir einen ganzen Stapel mit Anfragen zurückbekommen, die sich aufgrund Zeitverzugs bereits erledigt hatten“, so Ozasek. Er sagt: „Wir stehen in der Verantwortung gegenüber den Wählern. Ich fühle mich in meiner Kontrollfunktion und Arbeit extrem beeinflusst.“

Man müsse den OB manchmal „geradezu zwingen, ein Thema zu behandeln“, so Ozasek. Zudem sei die Qualität der Antworten oft schlecht: „Da müssen so viele Beteiligte gegenzeichnen, bis alle konkreten Aussagen rausgestrichen sind.“ Selbst bei den Haushaltsberatungen müsse man deshalb manchmal über Millionenausgaben entscheiden, ohne richtig informiert zu sein.

Einig sind sich die Fraktionen nicht

SÖS/Linke-plus hat jetzt Beschwerde bei der Kommunalaufsicht eingereicht. Zuständig ist das Regierungspräsidium. Dort liegen mehrere Musterbeispiele. Dabei geht es auch um die geplante Opernhaussanierung. „In diesem Fall haben wir seit 2016 immer wieder Auskünfte gefordert. Bekommen haben wir sie bis heute nicht“ sagt Ozasek.

Die Fraktion ist mit ihrer Kritik nicht allein. „Die Verwaltung könnte schneller sein. Beim Thema Bauen zum Beispiel sind wir inzwischen leicht wütend“, sagt Rose von Stein (Freie Wähler). Angesichts des massiven Wohnungsproblems in Stuttgart könne man Anfragen zum Thema nicht nach acht Monaten ohne Zwischenbescheid „vom Tisch wischen“. Auch Hans H. Pfeifer von der SPD stimmt zu: „Es ist schon so, dass die Verwaltung – leider nicht nur in Einzelfällen – viel zu lange zur Beantwortung braucht.“ Das könne „sehr ärgerlich“ sein.

Immer wieder schwingt der Vorwurf mit, die größeren Fraktionen würden bevorzugt. In der Tat scheint dort das Problem keine so große Rolle zu spielen. Man habe zwar auch schon Negativbeispiele erlebt, die seien aber die Ausnahme, heißt es bei den Grünen. Man könne gut arbeiten. Auch CDU-Fraktionschef Alexander Kotz ist „grundsätzlich zufrieden“. Einen kleinen Seitenhieb in Richtung Fritz Kuhn gibt es aber doch: „Dass es in einzelnen Fällen auch eine Motivation zum Beispiel des Oberbürgermeisters gibt, dass Anträge nicht so schnell beantwortet werden, etwa beim Thema neue Wohnbaugebiete, ist nicht auszuschließen.“

Bis zu 1000 Anträge und Anfragen pro Jahr

Die Stadtverwaltung weist die Vorwürfe zurück. „Wir behandeln alle gleich und achten die Richtschnur“, sagt Rathaussprecher Sven Matis. Es gebe aber sehr viele Anfragen und Anträge. In normalen Jahren lag die Zahl zuletzt zwischen 402 und 450. In Jahren mit Haushaltsberatungen schnellt sie regelmäßig auf um die 1000 hoch. Über die durchschnittliche Beantwortungsdauer gebe es keine Statistik. Man lege aber Wert auf eine „saubere, nachvollziehbare Beantwortung“. Das brauche manchmal mehr Zeit. Die komplizierte Anfrage zur Videoüberwachung zum Beispiel habe viele Stellen beschäftigt. Das kann zum Problem werden. Zwar landen Anfragen immer im OB-Büro, von dort werden sie aber an die zuständigen Referate weiterverteilt. Sie müssen die Antwort alle mitzeichnen, zum Schluss auch der OB.

Das Regierungspräsidium (RP) prüft die Beschwerde derzeit. Man habe die Stadt um eine Stellungnahme gebeten, sagt eine Sprecherin. Solche Fälle gebe es selten. Kommt das RP zum Schluss, dass ein Verstoß vorliegt, sind verschiedene Sanktionen denkbar. Sie reichen von einem schriftlichen Hinweis über eine Fristsetzung bis hin zur Übernahme der Aufgabe durch das RP selbst auf Kosten der Kommune. Wann über die Beschwerde entschieden wird, ist offen. 13 Monate sollte es jedoch nicht dauern.