Beim Gewerkschaftstag der GEW unter dem Motto „Bildung. Weiter denken!“ hat sich Winfried Kretschmann die Lehrer zu Freunden gemacht, manche Eltern eher weniger. Foto: dpa

Ministerpräsident Winfried Kretschmann will mehr Erziehungspartnerschaft. Dazu müsse die anhaltende Kritik der Eltern an Lehrern aufhören. Das lässt der Elternbeirat nicht auf sich sitzen. Doch der Landesvater stößt auch auf Verständnis.

Freiburg - „Die Eltern akzeptieren nicht, wenn man sie mundtot machen will,“ kontert Carsten Rees, der Vorsitzende des Landeselternbeirats an die Adresse von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der Regierungschef hatte am Samstag bei der bundesweiten Tagung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern angemahnt und dabei gefordert, die anhaltende Kritik der Eltern an Lehrern müsse ein Ende haben.

Rees bewertet die Äußerung Kretschmanns so: „Es ist nicht eben Beweis einer differenzierten Sichtweise, die Eltern so pauschal anzugreifen“. Die Erziehungspartnerschaft fordert auch Rees ein. Er will sie vor allem zum Protest gegen die Landesregierung nutzen. Alle Mitglieder der Schulgemeinschaft müssten gegen die desaströse Bildungspolitik der Landesregierung protestieren, findet Rees.

Lob von Stuttgarter Eltern

Wesentlich gelassener reagiert dagegen Kathrin Grix, die Vorsitzende des Stuttgarter Gesamtelternbeirats. „Der Ministerpräsident hat vollkommen recht, Lehrer und Eltern müssen an einem Strang ziehen“, sagte Grix unserer Zeitung. Seit Jahren würden die Stuttgarter Eltern für die Partnerschaft eintreten. „Es musste mal von ganz oben gesagt werden, dass diese Partnerschaft nötig ist“, lobt Grix den Landesvater Kretschmann. An den Pranger gestellt fühlt sich die oberste Elternvertreterin der Landeshauptstadt durch die Äußerung Kretschmanns nicht. Es gebe immer mal wieder unberechtigte Kritik sowohl an Eltern als auch an Lehrern. Grix plädiert für einen pragmatischen Umgang, „Lehrer dürfen Eltern nicht nur zum Kuchenbacken heranziehen, und Eltern dürfen nicht immer an Lehrern herummotzen.“

Bei den Lehrern aus dem ganzen Bundesgebiet ist Kretschmann erwartungsgemäß gut angekommen. In Freiburg lobten noch am Montag die Pädagogen am Rande des fünftägigen Gewerkschaftstags die Äußerungen Kretschmanns. Das Verhältnis zwischen Lehrern und Eltern stufen die Pädagogen als durchaus vielschichtig ein. Die Kritik und die Erwartungshaltung der Eltern würden ständig steigen, gleichzeitig würden viele Väter und Mütter die Verantwortung für die Erziehung an die Schulen abgeben. Partnerschaft im Interesse der Kinder sei da der entscheidende Faktor, sagen auch die Lehrer. Eine Mannheimer Grundschullehrerin fand, Kretschmann habe diese Partnerschaft in den Mittelpunkt gestellt, nicht die Kritik an den Eltern. Für die Lehrerin ist unbestritten, „wenn man mit den Eltern zusammen arbeitet, wirkt sich das positiv auf die Kinder aus“.

Erwartungen an den Ministerpräsidenten

Es sei richtig, kommentierte eine Förderschullehrerin aus Schleswig-Holstein, das Geschimpfe müsse aufhören und die Wertschätzung für die Lehrer steigen. „Ein Ministerpräsident könnte allerdings seinen Lehrkräften auch mehr Zeit geben, damit sie die Elternarbeit intensivieren können“, merkte die Lehrerin an.

Wertschätzung vermisst beispielsweise ein Grundschullehrer aus dem Raum Ravensburg bei der Kultusministerin. Der kommissarische Schulleiter ging mit Susanne Eisenmann (CDU) hart ins Gericht. „Von allen Seiten“ sei die Kritik über die Grundschulen hereingebrochen, erinnert der Lehrer an die Debatten über die Rechtschreibung und die Leistungen der Grundschule. Eisenmann habe die Kritik übernommen, statt sich mit den Lehrern auseinanderzusetzen. Am Montag hoffte er auf ähnliche Wertschätzung durch die Kultusministerin wie sie die Lehrer am Samstag von Kretschmann erfahren hätten. Da war Susanne Eisenmann zu Gast beim Gewerkschaftstag in Freiburg. Doch die Erwartungen des Ravensburgers erfüllte sie nicht.

Kultusministerin macht es kurz

Die baden-württembergische Kultusministerin beschränkte sich auf ihre Rolle als Vorsitzende der Kultusministerkonferenz und präsentierte in einem kurzen Überblick die aktuellen Schwerpunkte der Ministerrunde, von der Stärkung der beruflichen Bildung bis zur Digitalisierung der Schulen. Bei letzterem genüge es nicht, die Geräte in die Klassenzimmer zu stellen, sagte die KMK-Präsidentin. Das brachte ihr kurzen Applaus. Ebenso ihre Anmerkung, dass Abitur und Studium nicht der einzige glückbringende Weg ins Leben seien. Dann war der Auftritt auch schon zu Ende – zur Verblüffung manches Delegierten. Die Bildungspolitik des Landes Baden-Württemberg überließ die Kultusministerin dem CDU-Landesvorsitzenden. Thomas Strobl werde sie an diesem Dienstag bei seinem Besuch in Freiburg darlegen.

Der frisch bestätigten GEW-Vorsitzenden Marlis Tepe blieb nur die Anmerkung an die Adresse Eisenmanns: „Alle Länder, die bildungspolitisch erfolgreich sind, pflegen eine sehr enge Zusammenarbeit von Ministerien und Gewerkschaften“.