Fake-Plakat an der S-Bahn-Haltestelle Feuersee: Rund 40 Protestposter haben Aktivisten in Stuttgart aufgehängt. Foto: red

„Sollen sie doch Porsche fahren“: Aktivisten haben Werbe-Schaukästen in Stuttgart gekapert, um gefälschte Plakate mit FDP-Chef Christian Lindner aufzuhängen.

Auf den ersten Blick sehen die Plakate aus wie gewöhnliche Wahlwerbung. Doch wer genauer hinschaut, dem wird klar: Das hat FDP-Chef Christian Lindner so bestimmt nicht gesagt.

Im gewohnt knalligen FDP-Farbmix aus Blau, Gelb und Magenta ist das Gesicht des Finanzministers auf dem Plakat abgebildet. Darunter ragen bunte Balken ins Bild mit einem vermeintlichen Lindner-Zitat zum 9-Euro-Ticket: „Kein Geld für ÖPNV? Sollen sie doch Porsche fahren.“

Seit vergangener Woche hängen etwa 40 dieser provokanten Poster überall in Stuttgart. Passanten haben die Botschaft unter anderem am Hauptbahnhof, in der Stadtmitte, am Charlottenplatz und an der S-Bahn-Haltestelle Feuersee entdeckt. Die Plakate sind nicht etwa an Hauswände gekleistert oder an Bäume gehängt: Die Poster hängen in offiziellen Schaukästen.

Aktivisten des Künstlerkollektivs Dies Irae (lateinisch für „Tag des Zorns“) stecken hinter der Plakataktion. Ein Mitglied der Gruppe habe die Schaukästen am vergangenen Donnerstag mit einem „Steckschlüssel aus dem Baumarkt“ geöffnet und die Poster aufgehängt, teilt eine Sprecherin des Kollektivs auf Anfrage mit.

Die ursprünglichen Poster hingen aufgerollt noch immer an der gleichen Stelle. „Es wurden dabei weder Plakate entwendet noch Werbevitrinen beschädigt“, sagt die Sprecherin. Finanziert wird das so genannte Adbusting über Spenden. Das Geld für den Druck sammeln die Aktivisten unter anderem über Crowdfunding-Plattformen wie „Go fund me“.

Mitglieder von Dies Irae hatten die Plakate unter anderem bereits in Hamburg, Dortmund, Dresden, Frankfurt und Mannheim ausgehängt. „Eigentlich wollten wir, dass die Plakate zuerst in Stuttgart hängen“, sagt die Sprecherin. Der Grund: Porsche hat seinen Hauptsitz in der Landeshauptstadt.

Das Plakat soll eine politische Botschaft verbreiten. „Christian Lindner steht mit der FDP für Klientelpolitik von Luxus-Konzernen wie Porsche“, sagt die Dies-Irae-Sprecherin. „Wenn SPD und Grüne es nicht schaffen, ein bezahlbares Nachfolgeticket zu etablieren, gewinnt der kleine Koalitionspartner FDP auf Kosten des Klimas und der Menschen, denen Mobilität verwehrt bleibt.“

Der Spruch auf dem Plakat spielt auf die umstrittenen Äußerungen von Christian Lindner an. Der FDP-Chef kanzelte eine mögliche Fortsetzung des 9-Euro-Tickets mit den Worten ab, dass er von einer „Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen“ im öffentlichen Nahverkehr nicht überzeugt sei. Die Aussagen stammen allerdings aus einer Debatte im August. Mittlerweile feilen Bund und Länder bereits an einer Anschlusslösung für das Ticket, die im Oktober vorgestellt werden soll.

Dem Staatsschutz, der bei politisch motivierten Straftaten übernimmt, ist die Plakat-Kampagne in Stuttgart bekannt. Ermittelt werde allerdings nicht, heißt es aus Behördenkreisen. Der Grund: Es liege keine Straftat vor.

Ströer betreibt die betroffenen Schaukästen in Stuttgart. Bei dem Unternehmen zeigt man sich nicht sonderlich begeistert von der Adbusting-Aktion. „Das sind keine bezahlten Aufträge“, sagt ein Sprecher. „Wir hängen die Plakate so schnell wie möglich wieder ab.“

Die Landes-FDP hingegen nimmt die Protestaktion gelassen. Man habe die Kampagne zur Kenntnis genommen, teilt ein Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion mit. Der Landesverband wolle nicht gegen die Aktivisten vorgehen – hält die Posteraktion allerdings für fragwürdig. „Grundsätzlich sind gefälschte Plakate für uns kein Mittel des demokratischen Meinungsaustauschs“, sagt der Sprecher.