Gemeinsam große Räder drehen: Günther Oettinger, damals noch EU-Energiekommissar, und Viktor Orban (rechts) im Oktober 2010 bei der Inbetriebnahme einer Gaspipeline in Ungarn. Foto: dpa/Szilard Koszticsak

Der deutsche Ex-EU-Kommissar Günther Oettinger will den ungarischen Innovationsrat leiten. Doch es gibt heftige Kritik an dessen Beratungstätigkeit.

Berlin - Demnächst entscheidet die Kommission, ob der ehemalige deutsche Kommissar Günther Oettinger (CDU) einen Nebenjob annehmen darf. Oettinger wurde gefragt, ob er den Co-Vorsitz im ungarischen Innovationsrat übernehmen will. Der Nationale Rat für Wissenschaftspolitik wurde Anfang des Jahres gegründet, wird vom ungarischen Wissenschaftsminister Laszlo Palkovics geleitet und hat bereits einmal ohne Oettinger getagt. Das nächste Treffen ist für den Herbst vorgesehen.

Obwohl der ehemalige Haushaltskommissar seit Dezember nicht mehr in Diensten der Kommission steht, muss er sich die Genehmigung der Kommission einholen. Das sehen die Transparenzregeln der Kommission zwei Jahre lang auch für ausgeschiedene Kommissare vor. Bereits zwei Mal hat die Kommission mit Unterschrift von EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen Oettinger, der sich mit einer Unternehmens- und Politikberatung selbstständig gemacht hat, grünes Licht für Nebentätigkeiten gegeben, so etwa im Februar, als es um seine Mitarbeit im Förderbeirat des Landesmuseums Württemberg ging. Wenn ein Interessenkonflikt zu vermuten ist, muss der Rat einer dreiköpfigen unabhängigen Ethikkommission eingeholt werden.

Vorwurf: Oettinger lässt sich vor Orbans Karren spannen

Es ging jedes Mal um ehrenamtliche Tätigkeiten, in denen offensichtlich kein Interessenskonflikt mit seiner früheren Tätigkeit zu befürchten war. Die Entscheidungen erregten kein öffentliches Aufsehen. Auch jetzt ist es ehrenamtlich, auch jetzt soll Oettinger kein Geld für seine Tätigkeit bekommen. Und doch ist es diesmal etwas anders. Europa-Abgeordnete aus dem Parlament rümpfen die Nase. Der grüne Abgeordnete Daniel Freund, der bis zu seinem Wechsel in die Politik Cheflobbyist der Nichtregierungsorganisation Transparency international in Brüssel war und im Parlament Ethikfragen behandelt, wirft Oettinger vor, sich „vor Orbans Karren spannen“ zu lassen. Orban nutze den Rat, um unliebsamen Wissenschaftlern kein Geld mehr zu geben. „Auch deswegen ist Oettingers Wechsel geschmacklos.“ Gegen Ungarn läuft ein Rechtstaatsverfahren, unter anderem weil die Regierung Orban die Freiheit der Wissenschaft beschnitten hat, indem es gegen die Central European University vorgeht, die mit Geldern des ungarischstämmigen US-Investors George Soros gegründet wurde.

Oettinger will sich für westliche Werte einsetzen

Oettinger verteidigt im Gespräch mit unserer Zeitung die geplante Mitarbeit: „Es geht hier nicht um die Beratung von Viktor Orban.“ Er sehe vielmehr, dass in Ungarn wie in vielen anderen östlichen Mitgliedstaaten auch großer „Nachholbedarf bei der digitalen Forschung“ bestehe, sagt Oettinger, der in seiner ersten Amtszeit Digital-Kommissar war. Ungarn nehme unterproportional Teil an den EU-Forschungsprogrammen. Das müsse man ändern.

Aus seiner früheren Tätigkeit im Land wisse er genau, worauf deutsche Unternehmen wie Bosch und Daimler, aber auch Mittelständler bei Investitionen in Ungarn achten. Oettinger will sich für westliche Werte einsetzen: „Ich würde vehement darauf hinweisen, dass Unternehmen, bevor sie Forschung und Entwicklung nach Ungarn verlagern, sehr genau prüfen, ob die Freiheit der Wissenschaft garantiert ist.“ Er werde auch deutlich machen, dass Rechtssicherheit für jeden Investor aus Deutschland ein nicht zu diskutierendes Gut sei.