Der Vorstand der Stiftung Geißstraße, Michael Kienzle, kritisiert Daimler-Chef Dieter Zetsche und zeigt Flagge für Tibet, indem er ein Plakat mit einem Dalai-Lama-Zitat an die Hauswand hängt. Just dieses Zitat hat Daimler zunächst für Werbezwecke genutzt, sich dann aber fer die Verwendung bei China entschuldigt.
Stuttgart - Passanten am Hans-im-Glück-Brunnen nehmen das Transparent und die Tibet-Fähnchen am Haus der Stiftung Geißstraße kaum wahr. Und nur wenige bringen das abgebildete Dalai-Lama-Zitat in direkten Zusammenhang mit einer Werbeaktion von Daimler. Der Automobilkonzern hatte unlängst einen Werbe-Post auf Instagram mit jenem Spruch des aus Tibet vertriebenen Religionsführers garniert: „Schau dir eine Situation von allen Blickwinkeln aus an, und du wirst offener werden.“
Aus China, das Tibet bis heute besetzt, folgten prompt geharnischte Reaktionen, die Daimler wiederum zu einer Gegenreaktion nötigte. Der Konzern löschte den Beitrag auf Instagram und entschuldigte sich mehrfach. Das Echo im deutschen Blätterwald hörte sich daraufhin so an: „Daimler knickt vor chinesischer Propaganda ein.“ Ob die Querelen letztlich mit dem Einstieg des chinesischen Milliardärs Li Shufu zu tun haben, der sich 9,69 Prozent der Daimler-Anteile gesichert hat, ist freilich nur Spekulation.
Mit Unverständnis reagiert nun jedenfalls auch Michael Kienzle, früherer Stadtrat der Grünen und Vorstand der Stiftung Geißstraße, auf die „gefährliche Entwicklung von wirtschaftlichen Beziehungen“. Daher montierte er das Transparent an die Hauswand und bekundet mit Tibet-Fähnchen Solidarität mit den Menschen am Südrand des Himalaja-Gebirges. Es geht ihm um die Rechte der Tibeter, „die zum Teil gewaltsam umgesiedelt werden“: „Der Stiftungszweck ist, verschiedene Nationen zu vereinen und sich um Menschenrechte zu kümmern.“ Ein Vorbild im Kampf um diese Rechte sei der Dalai Lama: „Er zeigt, wie man es richtig macht. Friedfertig und intellektuell auf eine hochstehende Weise.“
Markterfolg kontra Menschenrechte
Daher findet Michael Kienzle den Umgang des „schwäbischen Konzerns, der von Herrn Zetsche vertreten wird“ und in einem demokratischen Rechtsstaat handle, als „jämmerlich“: „Wenn ein Konzern nur auf den Markterfolg schielt und zu einer Verniemandung des Dalai Lama greift, dann ist das unterirdisch.“ Daher rät der Stiftungs-Vorstand dem Konzern dazu, seine Unternehmensidentität und Firmen-Philosophie zu überprüfen.
Kienzle sieht letztlich einen Vertrauensverlust gegenüber den Autobauern: „Der Staatsanwalt geht doch ohnehin schon bei denen aus und ein. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, aber es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass mit dem Dieselruß und den Verbrauchswerten etwas nicht stimmt.“ In diesem Zusammenhang warnt Michael Kienzle alle Auto-Konzerne davor, dass eine Erosion der moralischen Werte und der Menschenrechte zur Zerstörung einer ganzen Industrie führen könne.
Kienzle bündelt die Sache in einem Zitat. Diesmal ist es keines vom Dalai Lama, sondern das Erfolgsrezept von Robert Bosch: „Lieber Geld verlieren als Vertrauen.“ Seine Heiligkeit, der 14. Dalai Lama, sagt in solchen Fällen gerne: „Beurteile deinen Erfolg immer nach dem, was du aufgeben musstest, um ihn zu erreichen.“