Während die Umgebung grünt und blüht, vegetieren die Bäume auf dem Foto aus dem Jahr 2012 (li.) vor sich hin – trotzt der widrigen Umstände wurden zuletzt neue Bäume gesetzt. Foto:  

Ein ehemaliger Schadensanalytiker des Max-Planck-Instituts kritisiert das Gartenbauamt scharf: Bäume können auf dem Betondeckel der Stadtautobahn nicht überleben, werden aber dennoch gepflanzt. Missstände auch in der Eberhardstraße.

Stuttgart - Dieser Mann nimmt kein Blatt vor den Mund. Vielleicht auch weil es ihm gerade um das grüne Blattwerk der Stadt geht. Tilo Gödecke dokumentiert seit vielen Jahren, wie Pflanzen und Bäume in der Stadt gedeihen – oder auch nicht. Dabei nimmt der ehemalige Schadensanalytiker des Max-Planck-Instituts vor allem die Arbeit des städtischen Garten-, Friedhofs- und Forstamtes unter die Lupe. Seine Einschätzung, dass dort „die geballte Inkompetenz“ regiere, hört sich nach Krawallmacherei an, aber der Mann liefert Fakten. Er hat die Arbeit und die zwei bedeutenden Sündenfälle des Amtes in Bild und Text festgehalten. „Hier wird unglaublich viel Steuergeld vergeudet“, sagt er und öffnet seine Kladde mit Fotos.

Die Bilder zeigen zierliche Bäume auf dem Betondeckel der Stadtautobahn am Charlottenplatz im Jahres- und Jahreszeitenvergleich. „Die 26 Bäume wurden vor über zehn Jahren gepflanzt. Wegen starker Stammschäden wurden sie in diesem Jahr gefällt“, sagt Gödecke, „auf diesem Betondeckel können keine Bäume existieren.“ Das Gartenbauamt bestätigt: „Die Stämme der Kirschbäume leiden unter der sogenannten Sonnennekrose. Ein bundesweit zu beobachtendes Phänomen. Als verantwortliche Quelle wird die zunehmend aggressive Strahlung vermutet. Andere konventionelle Einflussgrößen wie Luftschadstoffe können dieses Phänomen noch zusätzlich verstärken. Davon betroffene Bäume werden durch hitzetolerantere Baumarten ersetzt. Es handelt sich hierbei um Französischen Ahorn, Blumenesche und Blasenbaum.“ Ein Baum kostet etwa 200 Euro.

Politik überstimmt Gartenbauamts-Chef

Der aufmerksame Bürger hatte diese Erkenntnis bereits im September 2011 mit Amtsleiter Volker Schirner geteilt. Schirner antwortete in einem Brief: „Dass die Bäume dort gepflanzt worden sind, war eine politische Entscheidung.“

Also dachte sich Gödecke: Statt zum Schmiedle, gehe ich direkt zum Schmied. Er schickt seine Dokumentation an OB Fritz Kuhn. Es passiert das, was allen Bürgern passiert: „Im Namen von Oberbürgermeister Kuhn danken wir Ihnen ....“ Die Antwort selbst stammte wieder vom Amtsleiter: „Da besonders an stark befahrenen Straßenbereichen das Grün in unserer Stadt einen wichtigen Faktor darstellt, haben wir an der Bepflanzung festgehalten.“ Man prüfe alternative Gestaltungsmaßnahmen. Gödecke: „Die Prüfung hat nun schon zehn Jahre gedauert.“ Inzwischen stehen auf dem Deckel neue Bäume. Für den Umweltpreisträger der Stadt ist es eine Frage der Zeit, bis erneut die Kettensäge zuschlägt.

Gleiches geschieht immer wieder an der Eberhardstraße. Auch dort stehen Bäume, die an diesem Standort keine guten Bedingungen haben. „Die Baumgruben sind dort viel zu klein“, sagt Gödecke, „die Wurzeln quälen sich aus der Grube, weil sie keinen Platz haben.“ Aus seiner Sicht ist ohnedies der falsche Baum an diesem Platz. Die dortigen Schnurbäume werden zu groß, wachsen zu schnell und müssen daher aus Sicherheitsgründen immer wieder gestutzt werden. „Die Bäume bei Breuninger sehen wie amputiert aus“, lautet sein Urteil. Stattdessen würde er „lieber Kirschbäume statt Schnurbäume pflanzen. Die werden so hoch“.

Zu wenig Platz für Wurzeln?

Warum werden in der Eberhardstraße Schnurbäume (Kosten 500 Euro) gepflanzt, obwohl sie dort immer wieder wegen ihres schnellen Wachstums zu Problemen führen? Das Gartenbaumamt meint, „dass Schnurbäume eine gute Baumart für das Stadtklima darstellen. Sie sind äußerst robust und unempfindlich gegenüber Trockenheit und Hitze. Sie werden fast nie von Schädlingen oder Pilzen befallen. Ein weiterer Vorteil ist die Beständigkeit gegen Abgase.“ Zudem widerspricht das Amt der These, dass die Eberhardstraße kein idealer Lebensraum für die Bäume ist: „Die beiden beseitigten Schnurbäume sind nicht eingegangen. Sie mussten wegen Leitungsarbeiten entfernt werden.“ Zudem glauben die Fachleute: „Das Baumbeet ist ausreichend dimensioniert.“ Und: „Diese Baumart passt hier gut. Es sind keine Alternativen geplant.“