Ein Mann sprintet an einem ICE entlang. Die Bahn kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Foto: dpa

Die Bahn kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. So werden inzwischen auch Forderungen nach radikalen Reformen laut. Gegen eine Neuaufstellung des Staatskonzerns regt sich aber auch Widerstand.

Berlin - Zur Lösung der Krise bei der Deutschen Bahn AG sollten Strukturreformen zügig angepackt und solle im Bundesetat viel mehr Geld für die Schiene bereitgestellt werden. Das fordern die Grünen im Bundestag. Die Bahngewerkschaft EVG will jedoch eine „Zerschlagung“ des größten Staatskonzerns verhindern. Auch in Kreisen der SPD heißt es, eine Bahnreform mit Herauslösung der bundeseigenen Infrastruktur aus dem Aktienkonzern befürworte man nicht.

In der Bundesregierung haben die anhaltenden Probleme bei der Deutschen Bahn AG erhebliche Unruhe ausgelöst. Das zweitägige Krisentreffen des Aufsichtsrats, in dem der Bund als Eigentümer und die Arbeitnehmervertreter per Mitbestimmung den Kurs bestimmen, dauerte am Freitag bis in die Abendstunden an. Viele Mängel bei der Zugflotte, die massiven Verspätungen, die Verluste der Frachtbahnen, der Personalmangel und die Engpässe im Netz bestimmten die Debatte auf der Klausurtagung im Berliner Bahntower am Potsdamer Platz.

Opposition fordert zweite Bahnreform

Die Opposition im Bundestag hält weiterhin eine zweite Bahnreform für nötig. Der Aktienkonzern solle neu aufgestellt und das bundeseigene, hoch subventionierte Schienennetz von den Verkehrssparten getrennt werden, fordert Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Zudem solle der Konzern seine Logistiktochter Schenker und die britische Arriva verkaufen, um Geld für das Kerngeschäft in die Kasse zu bekommen. Mit der FDP, deren Bahnexperte Christian Jung zudem personelle Konsequenzen an der DB-Spitze fordert, waren sich die Grünen in diesen Punkten schon bei den Verhandlungen mit der Union zur gescheiterten Jamaika-Koalition einig.

Die Aufspaltung der Bahn, die auch lange vonseiten der EU-Kommission gefordert wurde, stößt aber seit Jahren auf heftigen Widerstand der Bahngewerkschaft EVG, deren Funktionäre auch bei der SPD viel Einfluss haben. Befürchtet wird ein Stellenabbau, zudem würde der Gesamtkonzern nicht mehr von den jährlichen Milliardenbeträgen für das Netz profitieren, wenn das Geld künftig an eine staatliche Infrastrukturgesellschaft anstatt die DB Netz AG fließen würde.

Die Aufspaltung werde die Probleme nicht lösen, sondern neue schaffen, warnt der EVG-Vorsitzende und Vizechef des DB-Aufsichtsrat, Alexander Kirchner. Nirgendwo in Europa habe das „Trennungsmodell“ funktioniert, in Großbritannien und Frankreich sei man zum integrierten Konzern zurückgekehrt. Nötig seien vielmehr Investitionen in die Infrastruktur.

Investitionen sollen steigen

Verkehrsminister Andreas Scheuer betont, dass in dem neuen Bundesetat und der Finanzplanung bis zum Jahr 2022 die Investitionen in den gesamten Verkehr von 14,6  Milliarden Euro in diesem Jahr auf gut 16 Milliarden Euro steigen sollen. So würden 330 Millionen Euro zusätzlich in barrierefreie Bahnhöfe fließen und knapp 53 Millionen in alternative Antriebe von Zügen. Der Schienenverkehr sei nicht unterfinanziert.

Das Bündnis Allianz pro Schiene kritisierte dagegen die verkehrspolitischen Weichenstellungen des Bundeshaushalts scharf. Ins Gleisnetz würden 2019 rund 100 Millionen Euro weniger als 2017 und 50 Millionen weniger als 2018 investiert, rechnet Geschäftsführer Dirk Flege vor. Die Mittel für den Straßenaus- und -neubau würde dagegen um 45 Prozent erhöht. So werde die in der Koalitionsvereinbarung angekündigte Verdopplung der Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 nicht erreicht. Der Verkehrshaushalt 2019 atme „den Geist der Betonpolitik der vergangenen Jahrzehnte“, kritisiert Matthias Gastel, Sprecher der Grünen für Bahnpolitik. Im Bundesverkehrsministerium drifteten „Anspruch und Wirklichkeit immer weiter auseinander“.

Beschäftigte unter Druck

Im Konzern löst derweil auch die von Bahn-Chef Richard Lutz im September mit einem Brandbrief angeordnete strikte Ausgabenkontrolle Missmut aus. Der Tritt auf die Kostenbremse habe „nicht für die dringend notwendige Entlastung gesorgt, sondern die Beschäftigten unter zusätzlichen Druck gesetzt“, kritisiert der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Jens Schwarz. Die erzielten Effekte seien „vergleichsweise gering“.

Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 warnt davor, dass zusätzliche Milliarden Steuergelder, die an den Aktienkonzern fließen, für das Stopfen der Finanzlöcher bei dem aus ihrer Sicht überteuerten Großprojekt zweckentfremdet werden könnten. Das Geld fehle dann für dringend nötige Netzinvestitionen anderswo. Davor hat mehrfach auch der Bundesrechnungshof gewarnt und gefordert, dass die Regierung die Finanzkontrolle bei der DB verstärkt. Der Bund vernachlässige hier seine Aufsichtspflicht, mahnt der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller.