Es kann eine lange Nacht in Brüssel werden: Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras (Mitte) unterhält sich mit Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Hollande. Foto: dpa

Viele Euro-Partner haben Zweifel, ob die Tsipras-Regierung noch vertrauenswürdig ist. EU-Diplomaten erwarteten daher schwierige und bis in die Nacht dauernde Verhandlungen auf dem Krisengipfel. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gab sich optimistisch und will bis zur letzten Sekunden an einer Lösung arbeiten.

Brüssel - Trotz tiefgreifender Unstimmigkeiten haben die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder darum gerungen, Griechenland in letzter Sekunde vor der Staatspleite zu retten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte vor einem Euro-Sondergipfel in Brüssel, eine „Einigung um jeden Preis“ werde es nicht geben. Frankreichs Staatschef François Hollande sagte dagegen am Sonntag: „Frankreich wird alles machen, um heute Abend eine Vereinbarung zu finden.“

Am Vortag hatte ein Papier von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für Irritationen gesorgt, das eine mindestens fünfjährige Eurozonen-„Auszeit“ Griechenlands ins Spiel brachte, falls Athen seine Reformvorschläge nicht nachbessert.

Hollande wandte sich am Sonntag dagegen und sagte, es gebe keinen provisorischen „Grexit“. „Es gibt Griechenland in der Eurozone, oder Griechenland (ist) nicht mehr in der Eurozone.“

Jean-Claude Juncker gibt sich optimistisch

Bei dem Krisengipfel ging es darum, ob Verhandlungen über neue Hilfsmilliarden aus dem Euro-Rettungsschirm ESM aufgenommen werden oder nicht. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gab sich optimistisch: „Wir werden heute bis zur allerletzten Millisekunde an einer Lösung arbeiten. Und wir werden auch - wie ich hoffe - zu einer Lösung kommen.“

Unter hohem Zeitdruck sollte der Gipfel ein politisches Signal geben, ob es ein drittes Rettungspaket für Griechenland von rund 74 Milliarden Euro geben kann. EU-Diplomaten erwarteten schwierige und bis in die Nacht dauernde Verhandlungen.

Allerdings verlangen die Euro-Partner von Griechenland Nachbesserungen an dem vorgelegten Reformpaket, das Voraussetzung für neue Hilfsmilliarden ist. Nach den Worten des finnischen Ministers Alexander Stubb fordern die Euro-Finanzminister, dass das Parlament in Athen bis Mittwoch (15. Juli) Reformgesetze verabschiedet.

Die anderen Euro-Staaten verlangen von Athen Garantien dafür, dass die zugesagten Reformen umgesetzt werden - etwa Reformen am Arbeitsmarkt, bei den Renten, der Mehrwertsteuer und Privatisierungen. Auch die Niederlande verlangen von Griechenland, „alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen“, sagte Regierungschef Mark Rutte. Skeptisch trat auch Finnland auf.

In der Debatte standen sich Hardliner und Befürworter gegenüber. Bei dem Treffen der Finanzminister, das unmittelbar bis zum Beginn des Gipfels dauerte, traten laut Diplomaten mehr als zehn Eurostaaten skeptisch auf. Darunter war Deutschland. Unterstützung für Athen kam vor allem aus Frankreich.

Hollande sagte: „Ein Grexit würde bedeuten, dass Europa sich rückwärts bewegt. Ich möchte das nicht.“ Gegen die Linie Deutschlands kam auch Kritik vom italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi. „Italien will keinen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro, und in Richtung Deutschland sage ich: Jetzt reicht es“, zitierte ihn die römische Zeitung „Il Messaggero“.

Euro-Finanzminister überlassen Einigung Staatschefs

Merkel und Hollande berieten kurz vor dem Gipfel zu zweit über mögliche Lösungen, wie Diplomaten berichteten. Dies ist routinemäßig der Fall, doch das Gespräch am Sonntag hatte besondere Bedeutung. Die in Frankreich regierenden Sozialisten sind empört über Schäubles Vorschläge.

Ohne Einigung überließen die Euro-Finanzminister nach zweitägigen Beratungen den Staats- und Regierungschefs eine Lösung der Griechenland-Krise. „Eine Reihe von wichtigen Fragen ist noch offen“, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte, er wolle einen „ehrlichen Kompromiss“ erzielen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mahnte eine Einigung an: „Es geht ja nicht nur um einen Deal hier heute. Es geht um den Zusammenhalt Europas.“ EU-Gipfelchef Donald Tusk hatte kurzfristig den für den Abend angesetzten Sondergipfel aller 28 EU-Staaten zur Griechenlandhilfe abgesagt.

Die Zeit drängt, denn Griechenland droht die Pleite. Das Land muss im laufenden Monat 4,2 Milliarden Euro an die Gläubiger zurückzahlen, die es nicht hat. Griechenland brauche in den nächsten drei Jahren etwa 82 Milliarden Euro, hieß es aus Brüsseler Kreisen.

Das Land erhielt in den vergangenen fünf Jahren 240 Milliarden Euro an internationalen Hilfen. Das nach monatelanger Hängepartie vorgelegte aktuelle Sparpaket umfasst auch eine Mehrwertsteuerreform. Bis 2022 soll das Rentenalter auf 67 Jahre steigen.

Auch im Falle einer Einigung in der Eurogruppe auf ein neues Hilfsprogramm sollen in Griechenland bis auf weiteres Einschränkungen im Kapitalverkehr in Kraft bleiben. Die Banken sind seit mehr als einer Woche geschlossen. Die Griechen können derzeit an den Geldautomaten nur höchstens 60 Euro am Tag abheben.