Im März 2025 waren die Beschäftigten für mehr Geld auf der Straße. Am 8. November soll es Großdemos zur Verteidigung des Sozialstaats geben. Foto: dpa

Rund 2000 Stellen in der Stadtverwaltung sind nicht besetzt, oft solche an den Schnittstellen zum Bürger. Die kommende Sparrunde könnte die Lage verschärfen.

Wenige Wochen vor dem Start der Haushaltsberatungen in Stuttgart warnt die Gewerkschaft Verdi vor einem Kahlschlag bei Personal und Investitionen. Die von der Finanzverwaltung geforderten Einsparungen – es geht um 630 Millionen Euro in 2026 und 2027 – würden den Zugang zu Dienstleistungen für Bürger weiter erschweren oder kappen. „Ohne Beschäftigte geht gar nichts“, so die Gewerkschaftssekretärin Lena Göhringer bei einem Pressetermin im DGB-Haus. Verdi kündigt für den 8. November überregionale Großdemos unter dem Motto „Kommunen am Limit – Demokratie am Abgrund“ an.

 

Kommunen sind unterfinanziert

Die rund 2000 offenen Stellen in der Stadtverwaltung müssten besetzt werden, forderte Gewerkschaftssekretärin Ariane Raad. Einen Sparhaushalt „auf dem Rücken der Beschäftigten“ dürfe es nicht geben. Politische Fehlentscheidungen hätten zu einer chronischen Unterfinanzierung der Kommunen geführt. Raad rät zum Verzicht auf „Prestigeprojekte", zur Erhöhung der Gewerbesteuer und der Aufstockung der Stuttgart-Zulage. Sie bringt den Beschäftigten seit Juli 2024 bis zu 150 Euro im Monat. Unter anderem wird das Deutschland-Ticket (58 Euro) bezahlt. Damit wirbt die Stadt auch bei Stellenausschreibungen.

In vielen Bereichen Lücken

Dennoch zeigen sich in vielen Bereichen große Lücken. Im Amt für Öffentliche Ordnung, das zum Beispiele für den Tierschutz, Verkehr, die Ausländerbehörde und die Kfz-Zulassungsstelle zuständig ist, sind 280 der 1200 Stellen nicht besetzt. Fluktuation und Fehlzeiten sind hoch, die Anforderungen durch ständige Gesetzesänderungen auch. „Um uns stabilisieren zu können, brachen wir Digitalisierung, Fortbildung und Sachmittel, da darf nichts gestrichen werden“, appelliert Verdi-Vertrauensfrau und Personalrätin Katja Markstahler.

Die Digitalisierung stockt

Es gibt weitere Krisenämter: Im Amt für Soziales und Teilhabe sind 62 von rund 600 Stellen nicht besetzt, der Druck sei enorm, die Digitalisierung am Anfang – Online-Anträge werden ausgedruckt und in einer Papierakte verwahrt. Durch Gesetzesänderungen zum Beispiel beim Wohngeld habe jeder Sachbearbeiter statt 180 jetzt 300 bis 400 Fällen auf dem Tisch. „Wir sehen kein Land mehr“, sagt ein Beschäftigter. Außerdem seien zum Beispiel die Mitarbeiter der Eingliederungshilfe in fünf Jahren fünfmal umgezogen. Kritisch ist die Lage offenbar auch bei den Bäderbetrieben, die sich mit Saisonkräften über Wasser halten. Die eignen Azubis würden am Prüfungstag in Mannheim von anderen Kommunen abgeworben. Diese zahlten mehr. „Wir müssen da nachlegen“, sagt die Verdi-Aktive Ursula Mährle. Beim Zustand der Bäder müsse klar sein: „Entweder wir investieren, oder wir kleben Pflaster über kaputte Fliesen.“

„Ohne Sprachkurse keine Integration“

Auch Gudrun Rößler-Edelmann, Verdi-Aktive und Personalratsvorsitzende im Jobcenter, hat eine klare Botschaft an den Gemeinderat, der am 19. Dezember den nächsten Doppelhaushalt verabschieden soll. Man habe die Stellen zwar weitgehend besetzt, das sei „phänomenal“, aber man fürchte Einschnitte bei Integrationsmaßnahmen. „Ohne Integration, zum Beispiel Sprachkurse, bekommen wir die Leute aber nicht in Arbeit vermittelt“, warnt Rößler-Edelmann. Auch beim Abfallwirtschaftsbetrieb (AWS) könne man mit dem Personalstand zufrieden sein, die Bewerberlage sei gut, die Unterbringung in alten Gebäuden dagegen schlecht, Kantinen seien geschlossen, so Verdi-Vertrauensfrau Irene Köberle. Und ohne Leiharbeiter komme man nicht über die Sommerferien.

Kommunen in Schieflage

Viele Anforderungen kämen von Bund und Land auf die Stadt zu. Daran erinnert die Verdi Aktive Ulrike Eggle, die im Jugendamt arbeitet. So sollen die Kommunen 32 Prozent der Kosten des Ganztagesausbaus an den Schulen tragen. „Wir sind in einer Schieflage, eigentlich müssten die Kommunen sagen, dass es für sie nicht mehr geht“, so Eggle. „Systemische und strukturelle Probleme“ diagnostiziert Verdi für das Land. „Wenn die Menschen unzufrieden werden, suchen sie Sündenböcke“, sagt Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Sidar Carman. Kommunale Dienstleistungen seien tragende Säulen der Daseinsvorsorge. Wo sie ins wankten, sinke die Zustimmung zur Demokratie.