Klare Worte an die Adresse der Politik: Sabine Hagmann. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Sabine Hagmann fordert mehr Unterstützung von der Politik und kritisiert die Pläne der Stadt Stuttgart zum Umbau des Marktplatzes als zu zaghaft.

Stuttgart - Die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes Baden-Württemberg, Sabine Hagmann, ist der Ansicht, dass die Debatten um den Wegfall von Parkplätzen und drohende Fahrverbote dem Handel in Stuttgart geschadet haben. Die Innenstadt müsse attraktiver werden, fordert sie.

Frau Hagmann, der stationäre Handel klagt massiv über leere Innenstädte und geringe Umsätze im aktuellen Weihnachtsgeschäft. Läuft es tatsächlich so schlecht?
Es ist durchwachsen. Es gibt Städte in denen einiges los ist. In anderen ist es hingegen ziemlich leer. Es ist ein sehr uneinheitliches Bild momentan.
Viel los ist vor den Postfilialen. Dort holen die Menschen die Waren ab, die sie im Internet bestellt haben. Hat der stationäre Handel das Rennen gegen die Konkurrenz aus dem Netz bereits verloren?
Ganz so ist es nicht. Aber es ist richtig, dass der Onlinehandel in diesem Jahr zugenommen hat. Wir müssen uns die Zahlen nach Weihnachten erst noch genau anschauen. Vielleicht kaufen die Menschen in den Städten ja vornehmlich Gutscheine und gehen schnell wieder und die Innenstädte wirken daher vergleichsweise leer. Ich gehe zudem davon aus, dass der stationäre Handel kurz vor dem Fest nochmals gute Umsätze machen wird.
Wie verteilt sich der Umsatz auf Internet und traditionellen Handel?
Unser Bundesverband geht im Weihnachtsgeschäft von 25 Prozent aus, die im Internet umgesetzt werden. Sicher ist jedenfalls, dass der Sprung über die vergangenen Jahre enorm ist. Es ist noch nicht lange her, da waren wir ja online noch im einstelligen Bereich.
Speziell aus Stuttgart kommen viele Klagen. Hat die Stadt ein besonders Problem?
Ein Grund für die relativ schwache Frequenz sind sicher die vielen negativen Diskussionen. Die Debatten, die im Zusammenhang mit dem angedrohten Wegfall von Parkplätzen und den Fahrverboten geführt wurden, waren schädlich für den Handel. Wir haben auch die Beobachtung gemacht, dass der Handel im Südwesten schlechter unterwegs ist als im Bundesdurchschnitt. Das könnte aber auch mit anderen Faktoren, etwa der unterschiedlichen Ermittlung der statistischen Zahlen zwischen Bund und Land zusammenhängen. Woran es letztlich genau liegt, müssen wir analysieren. Wir sind ehrlich gesagt selbst noch am Rätseln.
Ist es nur die Diskussion ums Auto oder haben die Menschen schlicht die Erfahrung gemacht, dass man in Stuttgart zu viel im Stau steht und nur schwer einen Parkplatz findet?
Das ist mehr eine Frage der Wahrnehmung. Das Ergebnis ist aber dasselbe, ob die Menschen von der Debatte um Fahrverbote und fehlende Parkplätze abgeschreckt werden oder wegen persönlicher negativer Erfahrungen der Stadt fern bleiben. Was aber definitiv zugenommen hat, sind die Fahrzeuge der Paketdienste, die mehr und mehr die Straßen verstopfen. Da sehe ich aufseiten der Politik Handlungsbedarf. Die öffentliche Hand kann nicht immer den privaten Pkw-Verkehr kritisieren, damit den Onlinehandel fördern und in Sachen Infrastruktur dann zu wenig machen.
Onlinehändler sind extrem innovativ – da wird an Personalisierung der Angebote und an anderen Neuerungen gearbeitet. Steht der stationäre Handel im Vergleich nicht fast still?
Nein. Es setzt sich doch immer mehr die Erkenntnis durch, wie wichtig guter Service ist – und zwar auf beiden Seiten. Nicht umsonst denken Unternehmen wie Amazon darüber nach, reale Filialen zu eröffnen. Und: Der Großteil des Umsatzes im Handel wird noch immer in Ladengeschäften gemacht. Ich glaube, dass der traditionelle Handel zu seinen Grundwerten, wie kompetenter und freundlicher Service noch mehr als bisher zurückfinden muss.
Sie fordern darüber hinaus Unterstützung von der Politik. Wie soll diese aussehen?
Es geht darum, die Aufenthaltsqualität in den Städten deutlich zu verbessern. Schauen Sie doch nach Stuttgart. Da reicht es angesichts dieser enormen Herausforderungen nicht aus, den Brunnen auf dem Marktplatz ein wenig höher zu legen. Da muss deutlich mehr gemacht werden.
Wie müsste dieses Mehr Ihrer Meinung nach aussehen?
Es geht darum, die Aufenthaltsqualität grundsätzlich zu erhöhen. Es müssen nicht immer riesige Investitionen sein, es ist viel wichtiger, eine schöne Atmosphäre zu schaffen. Auch das ist eine öffentliche Aufgabe.