Bunt mit einer unschönen braunen Spur: Pflanzengift hat vielen Pflanzen auf dem Plieninger Friedhof geschadet. Foto: Cedric Rehman

Mit der Hilfe von versteckten Kameras gelang es der Polizei, den Täter zu überführen, der Grabblumen in Stuttgart-Plieningen mit Gift bespritzt hat. Zum Erstaunen vieler ist er selbst Friedhofsgärtner.

Plieningen - Tilo Schad schleppt eine volle Gießkanne über den Plieninger Friedhof. Die Sonne brennt am Himmel, und Schads Stirn ist mit Schweiß bedeckt. Es gibt bei einer Hitzewelle wohl Erholsameres als Grabpflege. Trotz Hitze sei er im Moment froh, dass er selbst seine Blumen gieße, meint der Plieninger. „Ich kümmere mich um das Grab meiner Angehörigen und sonst niemand. Da kann so etwas nicht passieren“, sagt er. Dann erklärt er, was er meint: „Jetzt machen sie schon vor Toten keinen Halt mehr.“ Sein empörter Ausruf trifft die Sache nicht ganz. Denn kein Kollektiv hat auf dem Plieninger Friedhof sein Unwesen getrieben, sondern ein Einzelner. Er säte drei Jahre lang Blumen aus, den Toten zur Ehre. Doch auf den Gräbern, die andere Friedhofsgärtner pflegten, ließ er die Rosen oder Margeriten verdorren.

Einem Mitbewerber kam nach drei Jahren ein Verdacht. Denn nur die Gräber, um die sich der Betrieb außerhalb von Stuttgart kümmerte, blieben von dem Blumensterben verschont. Er wandte sich an die Polizei. Ein Richter genehmigte den Ordnungshütern, Kameras auf dem Friedhof zu verstecken. Wo und wie, will die Polizei nicht verraten. Auf den Bildern konnte sie mehrmals dokumentieren, wie der Friedhofsgärtner sich an den Grabpflanzen zu schaffen macht. Dem Fund der Giftspritze in der Wohnung des Mannes bei einer Hausdurchsuchung folgte ein Geständnis: Er wollte seine Konkurrenten schädigen, indem er ihre Arbeit in Misskredit bringt, erklärte der Mann. Der Grund dafür sei Existenzangst gewesen.

Gärtner arbeiten normalerweise zusammen

Für Michaela Seidler, Inhaberin der Gärtnerei Raff in Degerloch, ist die Begründung der Tat fast ebenso schwer zu verdauen wie die mutwillige Zerstörung ihrer eigenen Arbeit selbst. „Sicher, in der grünen Branche wird niemand reich. Aber gerade deshalb gibt es ja auch so viel Solidarität unter uns Friedhofsgärtnern“, meint sie. Sie habe mit dem nun überführten Kollegen jahrelang auf dem Friedhof zusammengearbeitet. „Natürlich ist das jetzt auch eine menschliche Enttäuschung. Das muss ich erst einmal verkraften“, sagt Seidler.

Ob sie nie einen Verdacht hatte, wie jener Kollege, der dann zur Polizei ging? Ihr sei von Anfang an klar gewesen, dass ihre Blumen keinem Schädling zum Opfer fallen. Als Frau vom Fach habe sie schnell erkannt, dass Pflanzengift im Spiel war, meint sie. Aber dass ein anderer Friedhofsgärtner Verursacher ist, falle ihr immer noch schwer, zu akzeptieren. „Vielleicht will man sich manche Dinge nicht vorstellen“, meint Seidler.

Kunden spekulieren über Täter

Es ist zu spüren, dass sie sich ungern über den Fall äußert. Aber Seidler sieht sich nun mit Spekulationen konfrontiert. Kunden und Kollegen würden rätseln, wer denn nun der Gärtner mit der Giftspritze sei. „Wer auf dem Plieninger Friedhof arbeitet, gehört natürlich zum Kreis der Verdächtigen“, sagt Seidler. Da ist es wohl gut für sie, in der Öffentlichkeit klarzustellen, dass ihr Betrieb Opfer wurde.

Thomas Vohrer, Geschäftsführer des Gartenbauverbands Baden-Württemberg, spricht sich gegen alle Mutmaßungen aus. Er stellt klar, dass er einen ähnlichen Fall in seiner ganzen Tätigkeit nicht erlebt hat. „Das sagt nichts über unsere Branche aus“, meint Vohrer. Auch er betont, dass Friedhofsgärtner in der Regel eher etwa beim Gießdienst zusammenarbeiten, statt sich jede verkaufte Lilie zu missgönnen. Sicher, die Branche stehe unter einem gewissen Druck, meint Vohrer. „Es gibt immer mehr alternative Bestattungsformen, bei denen Grabpflege unnötig ist. Da aber viele Familienbetriebe nicht von der nachfolgenden Generation übernommen würden, sinke auch die Zahl der Friedhofsgärtner.

Michaela Seidler betont, dass Gärtnereibetriebe mit Kreativität punkten könnten. „Außerdem begleiten wir viele Kunden ja durchs Leben“, sagt sie. Ein guter Ruf sei deshalb wichtig für die Branche, meint die Gärtnerin. Sie hofft, dass ein Einzelfall zu wenig ist, um ihn zu trüben.