Keine freiwillige Reise: Wenn die Polizei Menschen zur Abschiebung bringt, kommt es immer wieder zu Gewalt. Foto: dpa

Auf dem Weg zum Flughafen kommt es immer häufiger zu Übergriffen auf die Beamten. Laut der Kriminalstatistik für den Kreis Ludwigsburg ist die Gesamtzahl der Straftaten jedoch im Jahr 2018 zurückgegangen. Für Sexualdelikte gilt das nicht.

Ludwigsburg - Vier junge Männer, die auf einen Polizisten einprügeln und den Beamten sogar mit seinem eigenen Schlagstock malträtieren: Der brutale Übergriff aus dem vergangenen Sommer in Marbach wird derzeit vor dem Heilbronner Landgericht verhandelt. Er ist das krasseste Beispiel einer Entwicklung, die im vergangenen Jahr ihren Höhepunkt erreicht hat, und über die der Ludwigsburger Polizeipräsident Frank Rebholz sagt: „Sie bereitet uns große Sorge.“ Denn nie zuvor wurden im Kreis Ludwigsburg so viele Beamte im Dienst angegriffen.

Wie oft wurden Polizisten attackiert?

In 2018 hat das Präsidium im Kreis Ludwigsburg 165 Fälle gezählt, was ein Plus von rund zwölf Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr bedeutet. Zum Vergleich: vor fünf Jahren lag die Zahl noch bei 104. 144 Beamte wurden in den beiden Landkreisen Ludwigsburg und Böblingen, für die das Präsidium zuständig ist, verletzt, einer von ihnen, jener aus Marbach, schwer. Auffällig ist, dass Angriffe auf Polizisten vor allem unter Alkoholeinfluss stattfinden: mehr als 60 Prozent der Täter waren laut der Statistik betrunken, als sie handgreiflich wurden.

Wer sind die Täter?

Knapp 80 Prozent derjenigen, die zuschlagen, sind Erwachsene – und zu knapp 90 Prozent sind es Männer. Stark gestiegen ist die Zahl der ausländischen Tatverdächtigen, sie sind laut der Polizeistatistik inzwischen für mehr als 40 Prozent der Angriffe verantwortlich. Besonders stark gestiegen ist der Anteil der Asylbewerber, die Polizisten angreifen.

Welche Erklärung hat die Polizei?

Das Ludwigsburger Präsidium ist für Abschiebungen aus einem großen Teil von Nord-Württemberg zuständig, so zum Beispiel für die Region um Aalen, den Kreis Heilbronn, aber auch die Landeshauptstadt selbst. Die Beamten holen die Menschen, die ausreisen müssen, zu Hause ab und bringen sie zum Flughafen – was nicht immer friedlich abläuft. Laut dem Polizeidirektor Martin Zerrinius kommt es dabei immer wieder zu Attacken – die dann in die Ludwigsburger Statistik einfließen.

Welche Strategie haben die Beamten?

Hoffnung setzen die Ordnungshüter in sogenannte Bodycams, also Videokameras, die an der Uniform befestigt sind. Sie sollen mögliche Angreifer abschrecken, und, falls es doch zu einem Übergriff kommt, die Aufklärung deutlich erleichtern. Noch in diesem Frühjahr werden die ersten 100 Geräte im Kreis Ludwigsburg ausgeliefert.

Gibt es insgesamt mehr Gewalt?

Insgesamt ist die Gewaltkriminalität, zu der Körperverletzungen, aber auch Mord und Totschlag gehören, nicht gestiegen. Doch die Aggressionen auf Straßen, in Parks und Parkhäusern, haben deutlich zugenommen, im Kreis Ludwigsburg um beinahe 15 Prozent, und damit deutlich stärker als im landesweiten Trend: Dort verzeichnet die Polizei eine Zunahme um rund fünf Prozent. Hoch ist bei diesen Gewalttaten allerdings auch die Aufklärungsquote: In immerhin knapp 90 Prozent wurde ein Täter ermittelt.

Wurden mehr Menschen getötet?

Nein. Die Zahl der Kapitalverbrechen ist im Kreis sogar zurückgegangen auf 13 (in 2017 waren es noch 19 gewesen). Wichtig dabei: Sämtliche Taten wurden aufgeklärt. Eine vergleichbare Quote kann die Polizei bei keiner anderen Verbrechensart aufweisen.

Wie ist die Lage bei sexueller Gewalt?

Auch bei Straftaten wie sexueller Nötigung und sexuellem Missbrauch steigen die Zahlen stark an. Exakt 300 Fälle zählte die Polizei für 2018 im Kreis Ludwigsburg, 67 mehr als noch 2017, was einem Plus von fast einem Drittel entspricht. Vor allem der sexuelle Missbrauch von Kindern beschäftigt die Beamten zusehends, erklärt Frank Spitzmüller, Leiter der Kriminalpolizeidirektion. Viele Hinweis auf Kinderpornos im Internet kämen dabei aus den USA, seine Kollegen würden dann riesige Mengen an Daten auswerten. „Wir ermitteln mit einem enormen Aufwand.“

Seltener geworden sind dagegen Vergewaltigungen: Davon gab es im Kreis im vergangenen Jahr 28, rund ein Fünftel weniger als zuvor. „Wir müssen nicht befürchten, dass marodierende Gruppen umherziehen und Frauen belästigen“, sagt Spitzmüller.

Wird es im Kreis immer gefährlicher?

Nein – zumindest liefern die Zahlen der Ludwigsburger Polizei dafür keine Anhaltspunkte. Denn die Gesamtzahl der Straftaten ist im vergangenen Jahr weiter gesunken, auf ziemlich genau 4000 Delikte pro 100 000 Einwohner – in absoluten Zahlen waren es im Kreis Ludwigsburg 21 739 Straftaten. Die Zahl liegt damit so niedrig wie in den vergangenen zehn Jahren nicht. Maßgeblich dafür verantwortlich sind Wohnungseinbrüche: Hier registrierten die Beamten einen Rückgang um mehr als 25 Prozent.

Die Quote der aufgeklärten Fälle konnte die Polizei noch einmal steigern, sie liegt nun im Kreis bei 64 Prozent. „Wir leben in einer der sichersten Regionen des Landes“, sagt Frank Rebholz.