Die Gewalt mit Messern ist erstmals separat erfasst worden. Foto: imago images/Gottfried Czepluch

Polizei und Innenministerium Baden-Württemberg haben die Kriminalstatistik für das Jahr 2022 vorgestellt. Die Zahl der Fälle und Tatverdächtigen lag auf einem niedrigen Niveau – doch es gibt diverse Problemfelder.

Selten ist ein Anstieg der Kriminalität mit so viel Zufriedenheit präsentiert worden wie am Donnerstag. „Wir leben in Baden-Württemberg in einem sehr sicheren Land“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) in Stuttgart bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2022. Und: Die Gefahr, in Baden-Württemberg Opfer einer Straftat zu werden, sei „auf einem historischen Tiefstand“. Das ist erklärungsbedürftig – zumal es diverse Problemfelder gibt.

Die Gesamtlage – Zufriedenheit trotz Anstiegs

Die Zahl der erfassten Straftaten im Land ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen – auf 550 000. Das waren 64 000 mehr als im Jahr 2021. Die Freude bei den Verantwortlichen ist dennoch groß, denn sie klammern die beiden Coronajahre 2020 und 2021, als die Zahlen massiv sanken, bei der Betrachtung aus. Und kommen zum Schluss: Die Zahl liegt tiefer als vor der Pandemie. Die Zahl der Tatverdächtigen stieg um 23 000 auf knapp 240 000 – und damit auf das Niveau von 2019.

Viele Messerangriffe

Es lohnt sich allerdings, das fast 200 Seiten umfassende Zahlenwerk genauer zu studieren. Zum ersten Mal sind darin zum Beispiel alle bekannten Messerdelikte separat erfasst. Bei der Messergewalt spricht der Bericht von einem Fünfjahreshoch. 2727 Messerangriffe gab es im Land, 3308 Menschen wurden Opfer einer solchen Attacke, 19 starben sogar.

Gewalt gegen Vertreter des Staates

Doch es gibt weitere Problemfelder. Nicht erst seit der neuerlichen Schießerei mit einem mutmaßlichen „Reichsbürger“ in dieser Woche in Reutlingen ist klar, dass der Respekt gegenüber Vertretern des Staates – und was manche dafür halten – deutlich abnimmt. „Das sind keine Einzelfälle mehr. Die Verrohung trifft die Polizei, Amts- und Mandatsträger, sogar Beschäftigte im Rettungsdienst“, sagte Strobl. Das Land habe eine Vielzahl von Gegenmaßnahmen eingeleitet. Die Zahlen sprechen dennoch für sich: 5467 Straftaten gegen Polizistinnen und Polizisten hat es gegeben. Das ist ein Höchststand. Die Hälfte davon waren tätliche Angriffe. 2687 verletzte Polizeiangehörige gab es dabei, zudem 104 verletzte Mitarbeitende im Rettungsdienst und bei der Feuerwehr.

Massive Welle von Schockanrufen

Jüngst rollte auch wieder eine große Welle an Schockanrufen durch Land und Region. Falsche Polizisten und am Telefon vorgetäuschte Unfälle oder Notlagen von Verwandten sollen die Angerufenen dazu bringen, Bargeld oder Schmuck an Unbekannte zu übergeben. Immer wieder klappt die Masche – zuletzt hat in Stuttgart eine Seniorin auf diese Weise rund eine halbe Million Euro verloren. Die Statistik spiegelt das wider. Die Zahl der Fälle ist um 62 Prozent auf 18 549 an-gestiegen. Und das, obwohl viele Versuche gar nicht angezeigt werden. Der Gesamtschaden ist um 36,1 Prozent auf 20,6 Millionen Euro gewachsen. Die Drahtzieher sitzen laut Innenministerium meist im Ausland.

Auffällige Zunahme bei ausländischen Tatverdächtigen

Einen auffälligen Trend gibt es auch bei der Ausländerkriminalität. Während die Zahl der deutschen Tatverdächtigen um 4,5 Prozent auf 137 000 stieg, war es bei Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit ein Anstieg von rund 20 Prozent auf 103 000. Angesichts eines Bevölkerungsanteils von unter 20 Prozent ist diese Gruppe bei den Tatverdächtigen mit 43 Prozent deutlich überrepräsentiert.

Eingerechnet sind bei den ausländischen Tatverdächtigen auch solche, die gegen das Ausländerrecht verstoßen haben, was bei deutschen Verdächtigen naturgemäß nicht möglich ist. Das war bei etwa jedem Fünften in der Statistik der Fall. Dazu kommen vorwiegend Diebstahl-, Vermögens- und Fälschungsdelikte.

Gefahr durch Cyberkriminalität

Und noch ein Thema gibt es, das den Verantwortlichen Sorgen machen muss: die Cyberkriminalität. Hacker- und Cyberangriffe gegen Behörden oder Firmen haben zuletzt immer wieder Aufmerksamkeit erregt. Bei der Bekämpfung gibt es zwar einige Erfolge – aber dennoch einen Anstieg um 3,7 Prozent auf 11 144 Fälle.

Es zeigt sich also: Bei aller Zufriedenheit bleibt genug zu tun für die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg.