In Stuttgart wurde die Zahl der Polizeistreifen erhöht Foto: dpa

Von den zwölf Polizeipräsidien konnte Stuttgart mit 29,3 Prozent den stärksten Rückgang bei der Zahl der Einbrüche verzeichnen. Doch noch gibt es viel zu tun. Und bei anderen Delikten, die Innenminister Gall am Donnerstag nicht erwähnte, ist die Tendenz steigend.

Stuttgart - Die Zahl der Wohnungseinbrüche im Südwesten ist im vergangenen Jahr um knapp zehn Prozent zurückgegangen. „Die Trendumkehr ist geschafft“, betonte Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Donnerstag. Die Polizei zählte im vergangenen Jahr 12 255 Fälle; der Wert markiert den ersten Rückgang nach acht Jahren. „Unser Ziel ist, dass wir die Richtung beibehalten,“ sagte Gall.

2014 waren es noch 13 500 Delikte, 19,4 Prozent mehr als 2013. Im Jahr 2015 kamen 114 Einbrüche auf 100 000 Einwohner, im Jahr davor waren es noch 127. Auch bei der Aufklärung meldete Gall Verbesserungen. Die Quote gelöster Fälle sei auf einen Fünf-Jahres-Höchststand von 17,3 (2014: 14) Prozent gestiegen. Die Schadensumme sei um 14 Prozent auf 31 Millionen Euro gesunken.

Als Erfolg wertete der Minister auch die aktuellen Schwerpunktaktionen zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität. An drei Großfahndungstagen mit 2260 Beamten innerhalb einer Januarwoche seien 34 Menschen, darunter 18 wegen des Verdachts auf Wohnungseinbruch, vorläufig festgenommen und mehr als 100 Straftaten aufgedeckt worden. In Heilbronn sei eine 13-köpfige Gruppierung aus dem Verkehr gezogen worden, berichtete Landespolizeipräsident Gerhard Klotter. Solche konzertierte Aktionen, die verstärkte Autobahnfahndung sowie der Ausbau der länderübergreifenden Zusammenarbeit gehörten zum Konzept.

Viele ausländische Täter

Landeskriminaldirektor Martin Schatz sagte: „Unser Konzept geht auf.“ Er räumte aber auch ein: „Wohnungseinbrüche gänzlich zu verhindern ist ein Ding der Unmöglichkeit.“

Die Analyse der 1200 ermittelten Tatverdächtigen bereitet Gall Sorgen. „Zwar bilden diese nur das Hellfeld der aufgeklärten Einbrüche ab, doch mehr als 55 Prozent davon sind Nichtdeutsche“, erläuterte er. Von diesen komme die Hälfte aus Georgien, der Türkei, dem Kosovo, Rumänien und Serbien. Schatz betonte, das Bild des jungen männlichen drogenabhängigen Einbrechers aus der Großstadt entspreche nicht mehr der Wirklichkeit. Heutzutage seien es Gruppen von Mehrfachtätern mit wechselnden Aufenthaltungsorten aus Süd- und Südosteuropa.

Unter den Verdächtigen sind auch 230 Asylbewerber. Oft würden Asylbewerberunterkünfte als Lager für Diebesgut genutzt. Erst am Donnerstagmorgen hatte es eine Durchsuchungsaktion in einer Unterkunft in Sinsheim gegeben. Im vergangenen Jahr wurden 291 ausländische Straftäter aus dem Südwesten abgeschoben. Dass der Anteil der versuchten Einbrüche unter den Einbruchszahlen gestiegen sei, führte Gall auf verstärktes Augenmerk der Bürger zurück. „Wir wollen aufmerksame Bürger, Bürger die Zivilcourage an den Tag legen.“ Allerdings halte er nichts von Bürgerwehren, die es glücklicherweise bislang nur im Internet gibt.

Schatz übte verhaltene Kritik an den Justizbehörden. „Es läuft nicht überall rund“, berichtete er. Manchmal fehle es an Verständnis für die notwendigen ermittlungstaktischen Maßnahmen der Polizei gegenüber mutmaßlichen Serientätern wie Telefonüberwachung oder Handy-Ortung bei Tatverdächtigen. Diese Schritte müssen über den Staatsanwalt bei Gericht beantragt werden. Wie kooperativ der Staatsanwalt dabei ist, hängt nach Schatz’ Worten sehr von dessen Persönlichkeit und Arbeitsschwerpunkt ab.

CDU kann keine Trendwende erkennen

Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen begrüßten Galls Zahlen und erklärten, bei Grün-Rot sei die Sicherheit der Bürger in guten Händen. Die oppositionelle CDU hingegen sagte, es gebe keine Trendumkehr, weil in den meisten Landkreisen die Zahlen weiter gestiegen seien und die Zahlen im Vergleich zu 2010 immer noch um 56 Prozent höher seien. Die FDP begrüßte zwar den Anstieg der Aufklärungsquote auf 17,3 Prozent. Einbrüche seien aber für kriminelle Banden immer noch ein lohnendes Geschäft. Die Polizei müsse daher mehr Personal erhalten.

Die Zahlen über die Wohnungseinbrüche hat Gall aus der Kriminalstatistik, die von der Polizei jährlich erstellt wird. Er begründete das vorgezogene Präsentieren der Zahlen damit, dass Einbrüche das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger besonders beeinträchtigten.

In den vergangenen Jahren hatte das Innenministerium die Kriminalitätsstatistik stets im Februar oder März veröffentlicht und damit einen Gesamtüberblick über die Entwicklung bei Straftaten und Tätergruppen gegeben. Wann es in diesem Jahr der Fall sein wird, „ist noch offen“, sagte ein Sprecher von Gall am Donnerstag unserer Zeitung. Es sei „nicht auszuschließen, „dass die komplette Statistik erst nach der Landtagswahl“ veröffentlicht werde. Die Polizeipräsidien seien aufgefordert, ihre Zahlen „bis Ende Januar“ zu liefern, dann werde die Thematik „aufbereitet“.

Nach Recherchen unserer Zeitung liegen aber bereits durchaus bereits aussagekräftige weitere Details der Kriminalstatistik vor. Allerdings sind diese Werte keineswegs positiv. So stieg die Zahl der Ladendiebstähle um 7,9 Prozent auf 44 261 Delikte, bei den Taschendiebstählen gab es ein Plus von 11,3 Prozent auf 11 157 Vorfälle. Weitere Zahlen, die unserer Zeitung vorliegen: Ein Anstieg bei Raub und räuberischer Erpressung um 8,5 Prozent, und auch bei Vorkommnissen im Bereich der schweren beziehungsweise gefährlichen Körperverletzung gab es einen Zuwachs um 5,3 Prozent.

Ein deutliches Plus gab es bei den Straftaten: Sie stiegen von 594 534 auf 617 385. Das ist ein Plus von 3,8 Prozent. „Damit wurde die 600 000-Marke gerissen“, heißt es in den internen Papieren. Dies sei der höchste Stand seit zehn Jahren.

Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen kletterte von 2014 auf 2015 um fast 22 Prozent auf 106 025. Damit hatten 2015 genau 41 Prozent aller Tatverdächtigen keinen deutschen Pass – auch dies ein Zehn-Jahres-Höchststand.