Vorfälle wie die Schießerei in Göppingen Ende Mai beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl der Menschen. Foto: SDMG

Wie sicher ist Göppingen? Im Gemeinderat ist das umstritten. Spektakuläre Fälle lassen aufhorchen. Sicher ist: Die Zahl der Straftaten hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Ein Stadtrat schlägt Alarm.

Göppingen - Es ist jedes Mal ein Arsenal des Schreckens, das die Polizei des Göppinger Reviers und die Mitarbeiter des Gemeindevollzugsdienstes zeigen, wenn sie den Sicherheitsbericht im Gemeinderat abliefern. Am Donnerstag war es wieder so weit: Die Polizeirevier-Leiterin Inka Buckmiller berichtete von einem Anstieg der verfolgten Straftaten im vergangenen Jahr von 3745 auf 3981, davon waren 618 „Rohheitsdelikte“ wie Körperverletzungen (2020: 594), aber auch von einer Zunahme beim Schwerpunkt Rauschgiftkriminalität, bei Hausfriedensbrüchen und bei Vermögens- und Fälschungsdelikten.

Bei Straftaten gegen das Leben, also Mord und Totschlag, musste die Polizei hingegen nur vier Mal ermitteln. „Alle Fälle blieben im Versuchsstadium stecken“, so Buckmiller. Im Vorjahr waren es noch neun Fälle gewesen. Deutlich rückläufig war auch die Zahl der Diebstähle und schweren Diebstähle wie Hauseinbrüche, wo sich eventuell auch die Präventionsarbeit bemerkbar mache.

32 Mal wurden 2020 Polizisten attackiert

Sorge bereitet der Revierleiterin die Gewalt gegen Polizeibeamte, die es im vergangenen Jahr 32 Mal gab. „Jeder Fall ist einer zu viel“, so die Polizistin. Dazu kommen etliche Beleidigungen und Widerstände. „Es verschlägt einem manchmal die Sprache“, bekannte Buckmiller.

Die Göppinger Stadträte verbissen sich in der fast zweistündigen Debatte in die Interpretation dieser Zahlen, wobei die Bewertung sehr unterschiedlich ausfiel. Aufhorchen ließ vor allem die Wortmeldung von Stadtrat Rudi Bauer (FWG), der pensionierter Polizeihauptkommissar ist und die Sicherheitsanalyse des Ulmer Polizeipräsidiums, das für Göppingen und den Landkreis zuständig ist, ausführlich studiert hat. Sein Fazit: „Die Sicherheitslage ist miserabel, und das muss man auch mal ganz deutlich sagen.“ Er machte das vor allem an der sogenannten Häufigkeitszahl fest, die die Zahl der Straftaten ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt. Dieser Wert sei „auf einem Höchststand seit zehn Jahren“. Der Kreis Göppingen weise als einziger Landkreis des Präsidiumsbereichs allenthalben steigende Zahlen auf. Als Beispiel nannte er die „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“, von denen es im vergangenen Jahr in der Stadt 243 gab. Darunter 23 Vergewaltigungen. „Das waren mal zehn“, sagte er.

„Sehr weit weg vom Polizeipräsidium Ulm“

Bauer nahm vor allem die Arbeitsbelastung im seit Jahren unterbesetzten Göppinger Polizeirevier aufs Korn. Die Leistung der Beamten sei immens, denn sie müssen sich nicht nur mit den Straftaten, sondern auch mit den Verkehrsunfällen und Bürokratie herumärgern. Das Problem sei, „dass Göppingen für das Polizeipräsidium Ulm sehr weit weg ist“. Er fragte: „Was muss passieren, damit wir endlich mal gehört werden?“ Er forderte, politisch Druck zu machen.

Auch Stadträte anderer Parteien erkannten, dass die Personalknappheit des Göppinger Reviers mit neun unbesetzten Stellen bedenklich sei und das subjektive Sicherheitsgefühl vieler Göppinger zu wünschen übrig lasse. Daran seien aber vor allem auch einzelne spektakuläre Fälle schuld, die in der Öffentlichkeit stark debattiert und wahrgenommen werden, beispielsweise die Schießerei vor wenigen Wochen auf offener Straße in der Nordstadt. Die Leiterin des Polizeireviers machte klar, dass dies keine Zufallstaten seien. „Diese Tat hatte ja einen Hintergrund. Es ist ja nicht so, dass die Bürger Angst haben müssen, dass auf offener Straße auf sie geschossen wird.“

Schwarzer Block“ lässt Ermittler rätseln

Kontrovers diskutiert wurde auch der mysteriöse Aufmarsch von etwa 100 bis 150 schwarz gekleideten Männern, die vor zwei Wochen samstagabends durch Göppingen zogen – und die auch die Polizei immer noch vor ein Rätsel stellen. Die Versammlung war nicht angemeldet und die Polizei habe lediglich einige Personen kontrollieren können, erklärte Buckmiller. „Was das war, ist uns bis dato immer noch nicht klar“. Und auf hartnäckige Nachfragen sagte sie: „Ich weiß über diesen Schwarzen Block nicht mehr als sie“.

Oberbürgermeister Alex Maier macht sich ebenfalls Sorgen um die Personalsituation bei der Polizei. Es habe aber noch niemand gefordert, aus Personalmangel Reviere zu schließen. „Und ich werde das natürlich auch nicht tun, sonst steche ich in ein Wespennest.“