Derzeit bei spezialisierten Autodieben besonders begehrt: Typ Mercedes ML Foto: Daimler

Es gibt Wohnungseinbrecher, die haben es weder auf Schmuck noch auf Bargeld abgesehen – und sind auch noch froh darüber, wenn die Bewohner zu Hause sind. Denn dann hängt an der Garderobe griffbereit der Autoschlüssel – und genau den wollen die Eindringlinge haben. Auf diese Weise verschwinden nachts hochwertige Fahrzeuge.

Stuttgart - Für die Polizei gibt es meist keine brauchbaren Spuren. Homejacking – so nennt die Kripo diese Form des Autodiebstahls, der sich gerade in der Region häuft. Derzeit haben die Täter offenbar Geländesportwagen des Typs Mercedes ML im Visier. Die letzte M-Klasse wurde vor wenigen Tagen in Weilheim/Teck (Kreis Esslingen) gestohlen – und alle Ermittlungen blieben bisher erfolglos: „Total verschwunden“, sagt Polizeisprecherin Andrea Kopp. Keine Spur, nichts.

Die Besitzer des Mercedes ML 250 im Wert von 50 000 Euro schliefen in der Nacht zum vergangenen Donnerstag im Obergeschoss ihres Reihenhauses, als die Diebe über ein Küchenfenster ins Gebäude eindrangen. Unbemerkt holten sie sich am Schlüsselbrett den Originalschlüssel und fuhren mit dem schwarzen Mercedes davon, der im Carport vor dem Haus abgestellt war. „Das Objekt ihrer Begierde müssen sie lange vorher ausbaldowert haben“, sagt Polizeisprecherin Kopp. Doch niemandem im Wohngebiet waren verdächtige Personen aufgefallen.

Seltsam: Eine Nacht zuvor verschwand ein anderer schwarzer M-Klasse-Mercedes – und auch hier handelte es sich um das sogenannte Homejacking. Einbrecher drangen über ein gekipptes Fenster in ein Wohnhaus in Sindelfingen ein und fuhren mit dem Wagen des Typs ML 280 CDI auf und davon. „Doch der Fall passt nicht so ganz“, heißt es bei der Kripo in Böblingen. „Es handelte sich um einen älteren Wagen, der nur noch 15 000 Euro wert war“, sagt die zuständige Polizeisprecherin Yvonne Schächtele.

Alles nur Zufall? Oder sollte der ältere Wagen für die Verfälschung von Fahrzeug-Identifizierungsmerkmalen herhalten?

Für die Polizei viel eher ins Bild passt der Diebstahl eines hochwertigen Mercedes ML 350 vor den Pfingstferien in Aidlingen (Kreis Böblingen). Dieser dunkelgraue Wagen im Wert von 68 000 Euro war vor dem Wohnhaus abgestellt, als er in der Nacht zum 20. Mai von Unbekannten fortgeschafft wurde. Für die Ermittler ist in diesem Fall völlig unklar geblieben, wie die Täter bei dem Diebstahl vorgegangen sein könnten.

Eindeutig nach der sogenannten Homejacking-Methode waren die Autodiebe noch in derselben Nacht in Rutesheim (Kreis Böblingen) am Werk. In diesem Fall hatten es die Täter auf einen schwarzen Audi RS 6 im Wert von über 100 000 Euro abgesehen.

Während die Bewohner schliefen, brachen die Diebe über die Terrassentür in das Haus ein. Im Eingangsbereich fanden die Unbekannten die Fahrzeugschlüssel und fuhren mit dem in der Einfahrt geparkten Audi davon. Die Ermittler der verschiedenen Kripo-Dienststellen halten es für möglich, dass dieser Rutesheimer Fall einen Zusammenhang mit dem jüngsten Diebstahl in Weilheim/Teck hat.

Dabei ist die Region auch nur Teil eines bundesweiten Phänomens, das die deutsche Versicherungswirtschaft allein 2013 insgesamt 242 Millionen Euro an Entschädigungen kostete. Vor wenigen Wochen ließen Wohnungseinbrecher in Nordrhein-Westfalen in der Nähe von Paderborn einen Mercedes ML 500 mitgehen, während die Bewohner schliefen.

Die hochwertigen Fahrzeuge werden zumeist nach Osteuropa oder sogar bis nach Zentralasien geschafft – wo sie von den Hehlern bereits bestellt wurden. Laut Bundeskriminalamt (BKA) sind es überwiegend litauisch und polnisch dominierte Tätergruppen, die bei der international organisierten Kfz-Kriminalität agieren. Die Experten vom BKA blicken dabei nicht gerade optimistisch in die Zukunft: „Eine grundlegende Änderung der Lage“, heißt es in einer Analyse, „ist nicht zu erwarten.“