Genaue Kontrolle vor der Einfuhr. Die Drogen aus Übersee sind im Hafen von Antwerpen oft in Bananenkisten versteckt. Foto: AFP/VALERIA MONGELLI

Belgien gilt als Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel. Die Clans gehen bei ihren Auseinandersetzungen immer brutaler vor.

Der Drogenkrieg in Antwerpen geht in eine neue Runde. Am Wochenende explodierte in einer Wohnung im Stadtteil Borgerhout eine Bombe. Wie die Polizei mitteilte, wurde bei der Detonation niemand verletzt, allerdings musste der gesamte Wohnblock evakuiert werden. „Wir können eine Verbindung ins Drogenmilieu nicht ausschließen“, erklärte Polizeisprecher Wouter Bruyns nach der Auswertung der ersten Erkenntnisse.

Der Tod eine kleinen Mädchens

Für die Sicherheitskräfte in der belgischen Hafenstadt gehören die einschlägigen Ermittlungen im Fall solcher Anschläge zur Routine. Seit einigen Monaten wird Antwerpen geradezu überrollt von einer Welle von Gewalt im Zusammenhang mit Drogenkriminalität. Erst im Frühjahr wurde ein elfjähriges Mädchen getötet, Unbekannte feuerten auf ein Haus im Stadtteil Merksem. Bei dem Mädchen handelte es sich um die Nichte eines berüchtigten Drogenschmugglers.

Ende vergangenen Jahren wurde sogar ein Entführungsversuch des belgischen Justizministers Vincent Van Quickenborne vereitelt. Der Politiker ist in Belgien überaus populär, auch weil er der ausufernden Drogenkriminalität den Kampf angesagt hat. Er stattete etwa die Behörden mit mehr Personal aus, schuf eine neue Ermittlungsbehörde für den Hafen und schloss einen Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ab. Dafür sollte er offenbar büßen.

Belgien wird zum Drogenumschlagplatz

Belgien mit seinen knapp über elf Millionen Einwohnern ist längst zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für Drogen in Europa geworden. Im vergangenen Jahr wurden allein in Antwerpen über 100 Tonnen Kokain beschlagnahmt. Die Drogen werden von dort aus über den ganzen Kontinent verteilt.

Wie die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht schreibt, sind die Kokainfunde im Hafen von Antwerpen aber nur die Spitze des Eisbergs - ärgerlich für die Drogenbanden, aber ohne große Auswirkungen auf den Markt. Geschätzt wird, dass eine Tonne Kokain gefunden wird, gleichzeitig aber neun weitere Tonnen unbemerkt den Zoll passieren. Einher geht der florierende Handel mit Korruption in großem Stil, wie die EU-Beobachtungsstelle unterstreicht. Hafenarbeiter, private Wirtschaft, Regierungsangestellte - alle hingen zum Teil in den Geschäften mit drin.

Der Schwerpunkt verlagert sich nach Antwerpen

In den vergangenen Jahren hat sich der Schwerpunkt des Drogenhandels von Rotterdam nach Antwerpen verlagert. Grund dafür sind die wesentlich verschärften Kontrollen in dem niederländischen Hafen. Dort wird inzwischen etwa jeder Mitarbeiter überprüft, auch wurden die Strafen drastisch erhöht.

In Antwerpen wollen sie nun von diesen Erfolgen lernen und die Maßnahmen verschärfen. Der Zoll soll mehr als 100 neue Mitarbeiter bekommen, die Staatsanwaltschaft gestärkt werden. Neue Scanner werden gekauft. Container sollen häufiger durchleuchtet werden, teilten die Behörden mit. Und auch in Antwerpen sollen Mitarbeiter des Hafens regelmäßig überprüft werden.

Die Clans agieren immer brutaler

Die Erfolge der Fahnder haben auch eine Kehrseite: Sie könnten zur Zunahme der Gewalt der Drogenbanden führen, vermutet der Kriminologe Michaël Dantinne. „Es ist ein Paradox“, sagte Dantinne dem belgischen Sender RTBF. Werde Kokain beschlagnahmt, gebe es jemanden, der dafür zahlen müsse. „Meiner Meinung nach gibt es eine Reihe unbezahlter Rechnungen, die zu Spannungen zwischen den Akteuren geführt haben, die wegen der Schulden und Forderungen zu Gewalt greifen.“