Christine Lehmann (mit Mikrofon) und Wolfgang Jaworek (ganz rechts) hatten die Idee zum kriminalistischen Spaziergang. Foto: Annina Baur

Bei einem kriminalistischen Spaziergang durch das Lehenviertel erfahren Interessierte viel über dessen Geschichte. Die Namen und Fakten stimmen, während die Kurzgeschichte und der Mord frei erfunden sind.

S-Süd - Es gibt kein falsches Wetter, nur falsche Kleidung. Dieser Ansicht ist nicht nur der Oberstaatsanwalt Richard Weber, einer von zwei Hauptakteuren der Kurzgeschichte „Tod im Lehen“. Auch eine ansehnlich große Truppe von Teilnehmern, die an Literatur und Geschichte interessiert sind, ließ sich am Samstagnachmittag nicht durch einen Regenguss vom kriminalistischen Spaziergang durch das Lehenviertel abhalten. Die Grünen-Gemeinderatskandidaten Christine Lehmann und Wolfgang Jaworek hatten die Idee zu dem Spaziergang, zu dem der Historiker die Details beisteuerte und die Autorin die Geschichte.

Spurensuche im Umfeld der Verstorbenen

Von der Markuskirche aus begleitete die Gruppe den Oberstaatsanwalt, der zusammen mit seiner Lebenspartnerin, der Schwabenreporterin Lisa Nerz, einen alten Todesfall wieder aufrollt. Es geht um die mysteriösen Umstände der am 10. Mai 1914 verstorbenen Rosalinde Stumpp, die an diesem Morgen tot in ihrem Bett aufgefunden wurde. 100 Jahre später begeben sich Weber und Nerz auf Spurensuche und erkunden das Umfeld der Verstorbenen, in dem es vor Verdächtigen nur so wimmelt: Da ist nicht nur der eifersüchtige Ehemann Bernhard Stumpp, der in der Gaststätte Lehen den Wirt gibt, sondern auch der Opernsänger und mutmaßliche Liebhaber Rosalindes, Paul Rummel, sowie die erbitterte Feindschaft zwischen dem Wirt des Lehen und dem Hubertus-Wirt, der damals an der Stelle der heutigen Hubertus-Apotheke eine Gastwirtschaft betrieb. Wollte der Konkurrent dem anderen Wirt vorwerfen, er schenke gepanschten Wein aus? Oder ging mit dem Ehemann die Eifersucht durch?

Geschichte und Mord sind frei erfunden

Auf ihrem Weg von der Markuskirche durch die Römer- und die Liststraße entwickeln und verwerfen Weber und Nerz verschiedenste Theorien zu dem 100 Jahre alten Todesfall. Das Ganze garniert die Stuttgarter Autorin Christine Lehmann mit geschichtlichem Wissen aus dem Lehenviertel: So erfahren die Teilnehmer des kriminalistischen Spaziergangs nebenbei unter anderem, dass die Römerstraße nicht nach den Römern, sondern dem Staatsrat Friedrich von Römer benannt wurde, und dass die 1908 erbaute Markuskirche nicht nur eine von wenigen Jugendstilkirchen in Deutschland ist, sondern auch eine Ausnahme darstellt, weil sie einen der ersten Kirchtürme besitzt, in denen Stahlbeton verbaut wurde. Die Fakten hat der Historiker und Grünen-Bezirksbeirat Wolfgang Jaworek zusammengetragen: „Alle Daten und Namen stimmen, die Geschichte und der Mord sind frei erfunden“, sagt Christine Lehmann.

Das Ende ihrer Kurzgeschichte hat dennoch das Zeug dazu, als eine weitere Legende des Lokals Lehen in die Geschichte einzugehen: Dort nämlich kommt Lisa Nerz bei einer Portion Maultaschen auf des Rätsels Lösung: Der Radfahrer auf dem Bild über dem Stammtisch, so ihre Theorie, ist der Mörder: Mit einem Fahrrad nämlich war auch ein Ingenieur unterwegs, der nicht nur einer von einer Handvoll Gästen bei der Beerdigung war, sondern auch allzu vorschnell sich selbst und dem Ehemann ein Alibi für den Tatzeitpunkt beschaffte.