Die Autorin Eva Württemberger stammt aus Vaihingen an der Enz. Foto: Sabine Seiter

Seine Hinrichtung wurde als Spektakel 1760 inszeniert, aber auch sonst fand das Schicksal des Ebersbacher Sonnenwirtles große Beachtung. Von seiner Braut lässt sich das weniger sagen.

Kreis Göppingen - Ha, jetzt schlag’ ich dich tot, du Lumpenmensch! Ich schwör´s! Eine Axt, verflucht gibt es in diesem Drecksloch keine Axt, damit ich mein Werk vollenden kann?“ Diese Original-Aussage des Ebersbacher Sonnenwirtles, mit der er seine Braut bedrohte, haben Eva Württemberger und dem Ebersbacher Stadtarchivar die Haare zu Berge stehen lassen, bekennt die Autorin. Württemberger hat sich in ihrer historischen Romanbiografie „Das Sonnenwirtle Friedrich Schwahn und seine Braut“ mit einem der bekanntesten Kriminellen des 18. Jahrhunderts in Württemberg befasst und nach der Lektüre der Ebersbacher Vernehmungsprotokolle nun der Braut Christina Müllerin Gehör verschafft.

Hier irrte nicht nur Schiller

Die junge Frau sei in vielen bisherigen Veröffentlichungen als intrigantes Miststück schlecht weggekommen, kritisiert Württemberger, während Schwahn überhöht worden sei. Von einer regelrechten nachträglichen Verklärung Schwahns spricht Württemberger. Dazu habe auch Schillers Erzählung „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“ beigetragen, der sich genauso das Sonnenwirtle zum Vorbild genommen hatte wie spätere Veröffentlichungen des Tübinger Literaten und Revolutionärs Hermann Kurz, bei dem Schwahn zur populären Figur des galanten Räubers mutiert sei, der mehr aus edlen als aus eigennützigen Motiven kriminell wird.

„Dabei war es doch genau umgekehrt. Er war ein Taugenichts, Schläger und impulsiver Gewalttäter, ein Psychopath“, behauptet die Autorin der aktuellen Romanbiografie und will mit den alten Mythen um das Sonnenwirtle als Opfer obrigkeitlicher Willkür und gesellschaftlicher Ablehnung und dem Bild des schwäbischen Robin Hood aufräumen.

Die Braut war das eigentliche Opfer

Dass Württemberger einen Perspektivenwechsel unternimmt und Schwahns erster Braut als dem eigentlichen Opfer ihre Stimme leiht, begründet die Autorin eben mit den Akten, die sie in Ebersbach von Archivleiter Uwe Geiger vorgelegt bekommen hatte. Sie belegten, dass Christina Müllerin „die - obwohl vollkommen schuldlos - immer wieder nicht nur Opfer der Brutalität Frieders (also des Sonnenwirtles), sondern auch der Justiz wurde“, die die Ebersbacherin mehrfach mit Strafen belegte, so Württemberger.

Württemberger zitiert in ihrem Roman aus den minutiösen Aufzeichnungen des Ebersbacher Amtmanns Liomin. Dieser hatte Christina Müllerins Anzeige notiert, in der sie beschreibt, wie ihr Verlobter Schwahn sie zum wiederholten Mal zusammenschlug und seinen Hund auf sie hetzte. Als typisch für das damalige Rechtsverständnis könnte auch der Vorfall gelten, bei dem Christina Müllerin offenbar ins Göppinger Gefängnis geworfen wurde, weil man hoffte, mit ihr als Faustpfand des flüchtigen Sonnenwirtles habhaft werden zu können, der damals bereits mehrere Morde und zahlreiche Räubereien auf dem Kerbholz hatte. Dass gerade die Ebersbacher Notizen so lange unentdeckt in den Archiven schlummerten, bezeichnet Württemberger als Ausdruck einer patriarchalischen Justiz, die den Rechten der Frau keinerlei Augenmerk schenkte.

Die Hinrichtung wurde als Spektakel inszeniert

Im Mittelpunkt des Interesses stand offenbar immer Schwahns Schicksal. Umso mehr, nachdem der Gewalttäter im Jahr 1760 in Vaihingen an der Enz gefasst und nach sechsmonatigem Prozess zum Tod durch Rädern verurteilt worden war. Seine Hinrichtung hatten die Zeitgenossen wohl als Spektakel inszeniert. Und der auf mehr als 800 Seiten handschriftlich festgehaltene Prozess gegen das Sonnenwirtle gelte als einer der am besten dokumentierten Fälle der süddeutschen Rechtsgeschichte, zitiert Württemberger den früheren Leiter des Ludwigsburger Strafvollzugsmuseums.

Populär scheint das Schicksal des Ebersbacher Sonnenwirtles jedenfalls bis heute zu sein. In seiner Geburtsstadt Ebersbach erinnert das Städtische Museum in seiner ständigen Ausstellung an Friedrich Schwahn, wie das Sonnenwirtle mit bürgerlichem Namen hieß. Der Museumsleiter Uwe Geiger zeigt bei Themenführungen auch gern die Ebersbacher Originalschauplätze aus Schwahns Jugendjahren, und die Stadt Vaihingen an der Enz hat sogar eine Erlebnisführung zum Ende des Sonnenwirtles im Programm.

Vom Ebersbacher Geburtshaus bis zum Ende in Vaihingen/Enz

Im Heimatort des Sonnenwirtle, in Ebersbach, stellt die Autorin Eva Württemberger ihre historischeRomanbiografie am Mittwoch, 9. November, um 19.30 Uhr im Stadtmuseum Alte Post, Martinstraße 10 vor. Die Besucher können an diesem Abend in dem Museum auch die sogenannte Bänkelsangmaschine benutzen, die die Geschichte des Räubers Friedrich Schwahn erzählt.

Weitere Lesungen finden statt am Donnerstag, 17. November um 19.30 Uhrin der Stadtteilbibliothek Stuttgart-Degerloch, Löffelstraße 5 und auf den Stuttgarter Buchwochen am Samstag, 3. Dezember, um 20.15 Uhr im Buchcafé im Haus der Wirtschaft. In der Stadtbibliothek Ludwigsburg, Wilhelmstraße 9/1 wird der Roman am Freitag, 20. Januar, um 14.30 Uhr präsentiert.

Weil Eva Württemberger die szenische Stadtführung „Räuber und Pistolen“ entwickelt hat, können die letzten Tage des Sonnenwirtle an Originalschauplätzen nachempfunden werden. Der Räuber war 1760 in Vaihingen gefasst und zum Tode verurteil worden. Die dreistündige Tour mit Henkersmahl kann bei Tourismusinformation Vaihingen (0 70 42/18-235) gebucht werden.