Soldaten patroullieren auf der Krim. Foto: Getty Images Europe

Nach der Zuspitzung der Lage auf der Krim hat Russland einem Militäreinsatz in der Ukraine zugestimmt. Der Westen ist entsetzt. Ukraines Interimspräsident versetzt die Truppen in Kampfbereitschaft.

Nach der Zuspitzung der Lage auf der Krim hat Russland einem Militäreinsatz in der Ukraine zugestimmt. Der Westen ist entsetzt. Ukraines Interimspräsident versetzt die Truppen in Kampfbereitschaft.

Simferopol/Moskau - Die Ukraine steht am Rande eines militärischen Konflikts. Angesichts der wachsenden Spannungen um die Halbinsel Krim machte Russlands Parlament am Samstag den Weg für einen Militäreinsatz in der Ukraine frei. Präsident Wladimir Putin habe nun alle Vollmachten, um einzuschreiten, teilte sein Sprecher Dmitri Peskow mit. Der Kremlchef wolle seinen Befehl von der weiteren Lage auf der Krim abhängig machen. Der nun mögliche Marschbefehl sei noch nicht erteilt, betonte Peskow. Der Präsident hoffe darauf, dass sich die Situation in der Autonomen Republik Krim stabilisiere.

Ukraines Interimspräsident Alexander Turtschinow ordnete daraufhin volle Kampfbereitschaft an. "Ich gebe den Befehl, alle Militäreinheiten in volle Kampfbereitschaft zu versetzen", sagte Turtschinow. Russland habe für seinen "Akt der Aggression" keine Grundlage. Alle Erklärungen über Gefahren für russische Staatsbürger oder russischsprachige Ukrainer seien erfunden, sagte er.

Putin hatte die mögliche Militärintervention damit begründet, dass russische Bürger und die auf der Krim stationierten russischen Streitkräfte geschützt werden müssten. Zuvor hatte die Krim-Regierung Russland um Schutz vor gewaltbereiten ukrainischen Nationalisten und Extremisten angerufen. In mehreren russisch geprägten Städten der Schwarzmeer-Halbinsel gab es Proteste gegen die Regierung in Kiew.

EU und USA tief besorgt

Europäische Staaten und die USA warnten Moskau eindringlich vor einer weiteren Eskalation. Der britische Außenminister William Hague rief seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow in einem Telefonat dazu auf, die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu respektieren. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton lud die Außenminister der EU für Montag zu einem Sondertreffen nach Brüssel ein. Der UN-Sicherheitsrat wollte sich noch am Samstag in einer weiteren Sondersitzung mit der Lage befassen. US-Präsident Barack Obama hatte schon am Freitagabend gewarnt, eine militärischen Intervention auf die Krim würde ihren „Preis“ haben.

Präsident Putin hatte sich am Samstag überraschend die Zustimmung für den Einsatz der Streitkräfte vom russischen Föderationsrat geholt. Das russische Oberhaus billigte die Intervention - um Blutvergießen zu verhindern, wie es zur Begründung hieß. Die russische Militärdoktrin erlaubt den Einsatz von Streitkräften im Ausland zum Schutz eigener Bürger.

Wie soll ein Militäreinsatz aussehen?

Wie ein russischer Militäreinsatz auf der Krim aussehen könnte, war zunächst unklar. Laut Präsidentensprecher Peskow kann Putin über die Größe des etwaigen Kontingents entscheiden. Russland hat in der Krim-Stadt Sewastopol seine Schwarzmeerflotte stationiert. Die Erlaubnis einer Intervention könnte sich auf dieses Kontingent beziehen.

Ukrainische Behörden hatten am Freitag behauptet, es seien 2000 russische Soldaten auf der Krim gelandet, eine Bestätigung gab es dafür nicht. Der moskautreue Krim-Regierungschef Aksjonow übernahm vorübergehend die Befehlsgewalt in der Autonomen Republik. Zugleich zog die prorussische Führung in Simferopol ein Referendum über die Zukunft der Autonomen Republik um zwei Monate auf den 30. März vor. Es war zunächst für den 25. Mai geplant gewesen.

Klitschko: "Unglaubliche Aggression Russlands"

Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko verurteilte die Vorfälle auf der Krim als „unglaubliche Aggression Russlands“. „Es geht ausschließlich um die Provokation“, sagte Klitschko am Samstag in einer Liveschaltung zu einer Diskussionsveranstaltung in Paderborn.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte erneut an Russland, die territoriale Souveränität der Ukraine zu respektieren. Man verfolge die Entscheidungen des Föderationsrates „mit Sorge“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Merkel telefonierte am Samstagnachmittag mit dem ukrainischen Regierungschef Jazenjuk. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach von einer gefährlichen Entwicklung: „Wer jetzt weiter Öl ins Feuer gießt, mit Worten oder Taten, setzt bewusst auf Eskalation.“

Der Vizechef der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe, Hans Michelbach, forderte „ein deutliches Signal der NATO an Russland“. „Das westliche Bündnis muss notfalls bereit sein, die Sicherheit der Ukraine zu garantieren, wenn die Regierung in Kiew darum bittet“, schrieb er in einer Erklärung. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen teilte über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, dass es in Sachen Krim „enge Konsultationen“ der 28 Nato-Verbündeten gebe. „Eine Deeskalation der Lage auf der Krim ist dringend nötig“, fügte er hinzu.

Bei einer russischen Militärintervention in der Ukraine wollen die USA möglicherweise den G8-Gipfel in Russland platzen lassen. Die USA diskutierten außerdem, Geschäftsbeziehungen mit Moskau zu kappen und laufende Handelsgespräche abzubrechen, berichteten Korrespondenten des Weißen Hauses auf Twitter. Präsident Obama erklärte bei einem kurzfristig anberaumten Pressetermin in Washington: „Jede Verletzung der Souveränität und Grenzen der Ukraine wäre zutiefst destabilisierend.“