Am Donnerstag begannen in Doha in Katar die Verhandlungen. Foto: Federico Gambarini/dpa/Federico Gambarini

Unter erschwerten Bedingungen beginnen die Gespräche über eine Waffenruhe in Gaza: Die Fronten sind verhärtet, und die Hamas bleibt dem Treffen fern.

Kurz vor dem neuen Anlauf für eine Waffenruhe in Gaza am Donnerstag demonstrierte die Hamas dem Gegner Israel, dass sie auch nach zehn Monaten Krieg ungebrochen ist. Hamas-Kämpfer feuerten aus dem Gazastreifen zwei Raketen auf Tel Aviv ab. Obwohl die Geschosse ihr Ziel verfehlten und die israelische Armee die Abschussrampen zerstörte, bestätigte der Angriff die Einschätzung israelischer und internationaler Experten: Mit militärischen Mitteln ist die Hamas nicht zu besiegen. Die Lage im Kampfgebiet könnte Israel und Hamas bei den Gesprächen in Katar zu politischen Kompromissen zwingen.

Denkbar Konträre Positionen

Die Kriegsparteien gingen am Donnerstag mit unvereinbaren Positionen in die neuen Verhandlungen in Katars Hauptstadt Doha. Hamas-Vertreter drohten sogar mit einem Boykott. Am Nachmittag kamen die Geheimdienstchefs von Israel, Ägypten und den USA mit Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani zusammen. Auch der Beauftragte der israelischen Armee für die Geisel-Freilassung, Nitzan Alon, war nach Katar gereist. Gastgeber Katar verbürgte sich dafür, dass die Hamas in die Verhandlungen eingebunden werde, Boykottdrohung hin oder her.

Trotz der Haltung der Hamas sagte der israelische Hamas-Experte Gershon Baskin unserer Zeitung, die Runde von Doha sei sehr wichtig: „Jetzt ist der Zeitpunkt für eine Einigung.“ Die Ägypter und die Kataris stünden im ständigen Kontakt mit Unterhändlern der Hama. Hamas-Delegationsleiter Halil al-Hajja lebe in Doha.

https://www.stuttgarter-nachrichten.de/thema/Gazastreifen

Die Positionen sind denkbar konträr: Israel besteht auf einer Rückkehr der Hamas-Geiseln und dem Recht, den Krieg notfalls trotz Feuerpause wieder aufzunehmen. Die Hamas fordert einen dauerhaften Waffenstillstand und den Abzug aller israelischen Truppen. Für den ganzen Nahen Osten steht viel auf dem Spiel. Gibt es nicht bald eine Einigung, will der Iran seinen angedrohten Militärschlag gegen Israel führen.

Kompromisse könnte es nun wegen der militärischen Lage geben. Israels Armee habe in Gaza alles erreicht, was sie erreichen konnte, zitierte die „New York Times“ amerikanische Regierungsvertreter. Die Bestandsaufnahme wird von vielen Experten geteilt. Sogar der israelische Militärsprecher Daniel Hagari sagte im Juni: „Wer denkt, wir könnten Hamas eliminieren, liegt falsch.“

Geiseln als Unterpfand

Israelische Soldaten haben seit Oktober nach israelischen Militärangaben mehr als die Hälfte der 25 000 Hamaskämpfer getötet oder gefangen genommen. Doch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will einen „vollständigen Sieg“ in Gaza. Sein Verteidigungsminister Yoav Gallant kritisiert dies laut Medienberichten als „Unsinn“.

Die Organisation des neuen Hamas-Chef Jahja Sinwar ist wegen der hohen Verluste und der Zerstörungen im Gazastreifen angeschlagen. Der Krieg hat laut den Hamas-Behörden mehr als 40 000 Menschen getötet, Hunderttausende sind auf der Flucht. Bewohner von Gaza werfen der Hamas bei Protesten vor, schuld daran zu sein.

Seit Israels Armee die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten kontrolliert, stockt zudem der Waffennachschub. Führungsmitglied Musa Abu Marzuk schimpfte im Sender Al Araby TV, Ägypten lasse die Palästinenser im Stich. Sinwars Truppe hat zudem Probleme mit der Disziplin. Die Hamas-Führung musste jetzt zugeben, dass ein Hamaskämpfer eine israelische Geisel getötet hat. Der Mann habe „entgegen der Anweisungen“ gehandelt, erklärte der bewaffnete Arm der Hamas. Die Geiseln sind das wichtigste Druckmittel der Terrorgruppe in den Gesprächen über eine Waffenruhe.