Stanislav Zhukov (li.) im Dress der ukrainischen Handball-Nationalmannschaft. Foto: imago/Philipp Brem

Der ukrainische Handball-Nationalspieler Stanislav Zhukov hat seinen Vertrag bei ZSKA Moskau aufgelöst, kam mit dem letzten Flieger nach Köln und ist nun wieder bei seinem Ex-Club VfL Gummersbach gelandet. Wie sieht er seine Zukunft?

Stuttgart/Gummersbach - Diese Ablenkung kam für Stanislav Zhukov wie gerufen. Am Montagabend saß er in der Schwalbe-Arena und schaute sich mit seiner Ehefrau und seinem sechsjährigen Sohn das Handball-Zweitligaspiel seines früheren Vereins VfL Gummersbach gegen TV Großwallstadt (35:27) an. „Es tat richtig gut, dieses schöne Spiel zu sehen und dabei auch noch die große Unterstützung der Menschen zu erfahren. Auch der Hallensprecher begrüßte mich und meine Familie“, sagte der ukrainische Nationalspieler.

 

Mit letztem Flieger nach Köln

Am Samstag war er Knall auf Fall von Moskau nach Köln geflogen. „Es war nicht einfach, Tickets zu bekommen, es war der letzte Flieger. Wir haben drei Koffer gepackt und sind los“, berichtet der 29-Jährige. Davor hatte er seinen noch zweieinhalb Jahre laufenden Vertrag beim russischen Topclub ZSKA Moskau aufgelöst. Der Sportdirektor habe ihn zwar halten wollen, doch am Ende legte ihm ZSKA keine Steine in den Weg. Er hätte sich auch als Ukrainer zwar weiterhin in Moskau sicher gefühlt, aber Zhukov wollte weg. Sofort. „Ich wäre auch gegangen ohne einen Auflösungsvertrag. Ich kann nicht an Handball denken, mein Herz weint, wenn ich an das Leid in meinem Land denke“, sagt er.

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Da er von 2017 bis 2019 für den VfL Gummersbach in der Bundesliga spielte und im Oberbergischen noch einige Freundschaften pflegt, war klar, dass es ihn dorthin zieht. Vorübergehend haben ihm Freunde eine Wohnung zur Verfügung gestellt, der Verein mit Geschäftsführer Christoph Schindler an der Spitze unterstützt ihn in vielen Bereichen. Auch bei der Reha. Denn der Rückraumspieler hat sich vor drei Monaten einen Kreuzbandriss zugezogen und verpasste deshalb die EM im Januar in Ungarn und der Slowakei.

In Gummersbach bleiben

Wenn der 2,00-Meter-Riese wieder fit ist, kann es gut sein, dass er wieder für den VfL spielt. „Meine Familie und ich möchten auf jeden Fall in der Region bleiben“, sagt er. Wie es sportlich konkret weitergeht? Damit will er sich derzeit nicht befassen: „Das ist unwichtig. Das einzig wichtige ist, dass meine Familie überlebt und dieser Krieg hoffentlich bald zu Ende ist.“

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Sein Vater arbeitet als Lkw-Fahrern in Deutschland, seine Mutter lebt in einer kleinen Stadt in der Ukraine an der polnischen Grenze. Die Familie seiner Frau in Juschne in der Nähe von Odessa. „Dort ist es relativ ruhig, es geht allen den Umständen entsprechend gut“, sagt Zhukov, der aber auch eine schlimme Nachricht zu verkraften hat. Ein Freund von ihm, ein Handball-Schiedsrichter, sei in Kiew ums Leben gekommen. Das habe ihm der Präsident des ukrainischen Beachhandballverbandes mitgeteilt.

Nur allzu verständlich, dass bei solchen Tragödien der Sport in den Hintergrund rückt.