Zweit größter Waffenlieferant der Ukraine: Deutschland bildete auch ukrainische Soldaten an der Panzerhaubitze 2000 aus, lieferte bereits zehn Waffensysteme und Munition in Kriegsgebiet. Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Noch fehlen der Ukraine im Osten ihres Landes strategische Erfolge. Die könnten sich in den kommenden Monaten einstellen – auch, wenn in Deutschland die Diskussion über Waffenlieferungen versachlicht und mit mehr Expertise geführt würde.

Haben Sie inzwischen auch den Überblick verloren? Wer welche Waffen in welcher Menge wann für die Ukraine fordert? Immer wieder im Zentrum der Debatte: Deutschland scheint weltweit das einzige Land zu sein, das überhaupt über sogenannte schwere Waffen verfügt und sie somit auch liefern könnte. Politiker und Journalisten übertreffen sich seit dem Beginn der aktuellen russischen Offensive in der Ukraine am 24. Februar gegenseitig damit, Kriegsgerät zu empfehlen: Marder, Leopard, Gepard.

In der Diskussion werden dabei drei Dinge gerne ausgeblendet. Erstens: Taugt das geforderte Waffensystem überhaupt für den Kriegsschauplatz Ukraine? Nehmen Sie den Marder. Der hoch gebaute Marder taugt für Gefechte in der Ukraine wenig. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Bordmaschinenkanone des Gefährts die Panzerung der flachen russischen Schützenpanzer kaum durchschlägt. Von Kampfpanzern ganz zu schweigen.

Dafür empfiehlt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), den Beschuss russischer Stellungen mit dem Marder. Also mit Spreng-Brand-Munition im Dauerfeuer auf die in den Stellungen hockenden russischen Infanteristen. Aus kriegsvölkerrechtlicher Sicht ein mehr als interessanter, eigenwilliger Vorschlag, der sicherlich Völkerrechtler beschäftigen wird.

Und: Hat die Waffenanlage des Marders einmal eine Störung – was des Öfteren vorkommt –, verlassen mindestens zwei Soldaten den Panzer, um auf diesem stehend die Störung zu beheben. Dazu braucht es Deckungen, Mulden, Senken, die im Osten der Ukraine nur selten in der dafür notwendigen Tiefe zu finden sind. Warum fordern die politischen und journalistischen Experten nicht geeignete Alternativen, den amerikanischen Schützenpanzer Bradley oder den britischen Warrior? Und: Die im Vergleich mittleren bis hohen Verluste der Ukraine bei den von Deutschland bezahlten und aus Dänemark gelieferten Transportpanzer M113, bei den YPR aus den Niederlanden, den Saxon aus Großbritannien zeigen: Nicht jede gut gemeinte Waffenlieferung ist für den Krieg in der Ukraine zu gebrauchen.

Zweitens: CDU und SPD haben seit den 1990er Jahren beginnend mit der Heeresstruktur 5 entschieden, zunehmend auf Kampfpanzer zur Verteidigung Deutschlands zu verzichten. So wurden aus ehemals 84 Panzerbataillonen mit 3444 Kampfpanzern sechs mit 264 Kampfpanzern. Fraglich also, welche Leopard 2 die Bundeswehr denn an die Ukraine liefern kann und soll.

Drittens: Der Erfolg der Ukraine in der aktuellen Sommeroffensive ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ihre Soldaten gut an den aus dem Westen gelieferten Waffen, an Haubitzen und Flugabwehrsystemen, ausgebildet wurden. Ihnen hinreichend Munition geliefert und parallel die Logistik und Instandsetzung für die gelieferten Waffen aufgebaut wurde. Wichtiger noch: dass die Ukraine nahezu in Echtzeit die Ergebnisse der Nato und der USA aus deren Funk-, Satelliten- und Luftaufklärung erhält. Das alles entscheidet, dass die Ukraine den Krieg am Ende gewinnen wird.

Im Moment verzeichnet die Ukraine taktische Geländegewinne, den einen oder anderen operativen Erfolg. Es werden Dörfer zurückerobert, ein paar Eisenbahnlinien, auf denen auch in den kommenden Monaten keine Züge fahren werden. Strategisch aber hat die Ukraine in diesen Tagen noch nichts gewonnen. Es ist sogar fraglich, ob die Ukraine die jetzt eingenommenen Gebiete auch gegen russische Gegenangriffe halten kann.

Deutschland liefert in diesen Wochen: 16 schnell verlegbare Panzerbrücken, weitere 20 Flugabwehrpanzer Gepard, Berge- und Pionierpanzer, weitere Panzerhaubitzen 2000, Radargeräte. Eng abgestimmt mit den USA, der Nato und der Ukraine. Das wird nichts daran ändern, dass der Krieg deutlich über den Jahreswechsel hinaus toben wird. Die aktuellen Erfolge der Ukraine sind für Moskau aber die sichere Erkenntnis, dass es diesen Krieg verlieren wird. Das verunsichert russische Soldaten und Politiker. Im Moment. Nicht mehr und nicht weniger.