Die EU will neue Strafmaßnahmen beschließen, doch der ungarische Premier kündigt erneut seinen Widerstand an.
Victor Orbán sorgt erneut für großen Unmut in der Europäischen Union. Der ungarische Ministerpräsident hat eine Volksbefragung zu den Russland-Sanktionen der EU angekündigt. „Die Sanktionen wurden nicht auf demokratische Weise beschlossen, sondern Brüsseler Bürokraten und europäische Eliten entschieden darüber“, erklärte er im Budapester Parlament. „Obwohl Europas Bürger den Preis dafür bezahlen, hat man sie nicht gefragt“, fügte er hinzu. Im Rahmen einer „nationalen Konsultation“ werde die ungarische Regierung „die erste in Europa sein, die die Menschen zu den Russland-Sanktionen befragt“, unterstrich der Regierungschef.
EU plant Preisdeckel für Ölimporte
Orbán beginnt die Diskussion zu einem Zeitpunkt, zu dem in Brüssel über die weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau diskutiert wird. Auf dem Tisch liegen Vorschläge wie die Umsetzung eines globalen Preisdeckels für Ölimporte aus Russland, für den sich bereits die G-7-Staaten stark machen. Auch ein Verbot, mit russischen Firmen im Bereich der Kernenergie zusammenzuarbeiten ist angedacht. Zudem könnte verboten werden, Immobilien in der EU an Russen zu verkaufen. Auch werden wohl weitere Personen mit EU-Einreisesperren belegt und ihre Vermögen in der Europäischen Union eingefroren.
Bei den ersten Gesprächen der EU-Kommission mit den Mitgliedstaaten in diesen Tagen wurde deutlich, welche Sanktionen Ungarn ablehnt. So stemmt sich Budapest gegen einen Preisdeckel für russisches Öl. Als „rote Linie“ bezeichnete der ungarische Außenminister Peter Szijjarto zudem Sanktionen im Nuklearbereich. Ungarn will in Kürze mit dem Bau von zwei Atomreaktoren beginnen - als Kooperation mit dem russischen Rosatom-Konzern. Unter anderem Deutschland wirbt in Brüssel für ein Ende der nuklearen Zusammenarbeit mit Russland. Neben Ungarn ist allerdings auch Frankreich gegen Sanktionen im Nuklear-Bereich.
Orbán treibt ein durchsichtiges Spiel
In den Augen des Grünen-Politikers Daniel Freund betreibt Viktor Orbán mit der Ankündigung einer Volksbefragung ein durchsichtiges Spiel. „Ich lese das als einen Versuch, den Preis seines Vetos hochzutreiben“, sagt der Europaparlamentarier. Schon bei den anderen Sanktionspaketen sei es ihm gelungen, Zugeständnisse für sein Land auszuhandeln, da im Rat der EU-Staaten diese Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen. Bisher stimmte Ungarn immer für die EU-Strafmaßnahmen, bei dem im Dezember wirksam werdenden Ölembargo gegen Russland, hatte er aber Ausnahmeregelungen für sein Land erreicht. Nach Einschätzung von Daniel Freund gehe es Orbán wohl auch darum, die Gelder loszueisen, die in Brüssel wegen der Verstöße Ungarns gegen die Rechtsstaatlichkeit im Moment zurückgehalten werden.
Fragebögen von zweifelhaftem Wert
Die Budapest lässt immer wieder „nationale Konsultationen“ durchführen, um die eigene Politik bestätigen zu lassen, etwa im Zusammenhang mit Einschränkungen des Asylrechts oder auch zu Fragen der Corona-Maßnahmen. Dabei erhalten die Bürger Fragebögen zugesandt, die nach Einschätzungen von Beobachtern Suggestivfragen enthalten und die Standpunkte der Regierung als richtig erscheinen lassen. Die Ergebnisse dieser Befragungen haben keine juristisch verbindlichen Folgen. Viktor Orbán erhoffe sich offensichtlich eine stärkere Verhandlungsposition in Brüssel, wenn er darauf verweisen könne, dass er das ungarische Volk im Rücken habe, erklärt Daniel Freund.