Tanja Vocino hat bei der Spendenaktion im Steinheimer Kleeblatt mit angepackt. Sie ist froh, helfen zu können. Foto: privat

Tanja Vocino hat die Ukraine vor 20 Jahren verlassen. Jetzt ist sie Gedanken Tag und Nacht bei ihrer Mutter in Luzk. Dort hat am Freitagmorgen besonders große Aufregung geherrscht.

Jeden Morgen blickt Tanja Vocino ängstlich auf ihr Handy. Wie war die Nacht in Luzk? Hat es Angriffe gegeben? Ist jemand verletzt? Wie geht es meinen Liebsten? Tanja Vocino hat vor 20 Jahren ihre Heimatstadt Luzk in der Ukraine verlassen, um nach Deutschland zu kommen. Jetzt bangt sie um das Leben ihrer Mutter, ihrer zwei Brüder und deren Familien.

Eine Detonation beim Einkaufen

Gerade am Freitagmorgen herrscht große Aufregung, als die 41-Jährige sich bei ihrer Familie in der Ukraine meldet. Eigentlich leben Mutter und Brüder in einer bislang halbwegs sicheren Gegend im Westen des Landes – vor russischen Angriffen ist Luzk bis dato verschont geblieben, und sogar Flüchtlinge aus dem Osten des Landes haben dort Unterschlupf gefunden. Doch jetzt ist der Militärflughafen in Luzk Ziel einer russischen Attacke geworden. „Meine Mutter war gerade beim Einkaufen“, berichtet Tanja Vocino. Da hat sie den lauten Schlag gehört und die Rauchwolke gesehen. Sechs Menschen sind verletzt worden, zwei Personen wurden getötet, soviel erfährt Tanja Vocino schnell. Und als sie hört, dass ihrer Familie nichts zugestoßen ist, atmet sie auf. Und dennoch: Seit der Detonation ist die Angst bei der Ludwigsburgerin und ihrer Familie 1500 Kilometer entfernt in der Ukraine größer. „Ich telefoniere mindestens drei Mal am Tag mit meiner Mutter“, sagt die 41-Jährige.

Mutter möchte nicht flüchten

Flüchten, so Tanja Vocino, möchten ihre 64-jährige Mutter und Brüder erst mal nicht – zumal ihre Stadt bislang als sicher galt. „Meine Mutter möchte bleiben und ihre Söhne und deren Familien versorgen“, sagt die Ludwigsburgerin. Denn bis Freitagmorgen konnte die Familie ein fast normales Leben führen: Die Läden verkauften Lebensmittel, Angriffe gab es keine. Zurzeit packt die Ukrainerin mit an und knüpft dringend benötigte Militärnetze. Panisch oder vor Angst aufgelöst – so erlebt Tanja Vocino ihre Mutter nicht. „Das ist nicht ihre Art und auch nicht der richtige Weg, mit der Situation umzugehen.“

Lesen Sie aus unserem Angebot: Friedensgebet in Ludwigsburg

Allerdings hat die Mutter in der Ukraine ihren kleinen Koffer für den Notfall gepackt und bereitgestellt. „Wir sind in Bereitschaft und können jederzeit losfahren, um sie an der polnischen Grenze abzuholen“, sagt Vocino. In ihrem Haus in Ludwigsburg wäre genug Platz, um die Familienmitglieder aufzunehmen. Vor 20 Jahren ist Tanja Vocino als Au-Pair-Mädchen nach Deutschland gekommen und der Liebe wegen geblieben.

Hilfe aus der Ferne

Tanja Vocino, Mutter von zwei Kindern, nimmt sich ihre Mama zum Vorbild und versucht, ruhig zu bleiben in dieser unübersichtlichen Lage. Nach Luzk fahren und dort helfen, das kommt für die 41-Jährige nicht infrage. „Ich bin dort wenig nützlich.“ In Ludwigsburg könne sie viel mehr ausrichten: Geld verdienen und ihrer Familie schicken.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Vereinte Anstrengung für Ukraine-Hilfe

Und nicht nur das: Tanja Vocino hat sich für einen Hilfstransport in die Ukraine engagiert – gemeinsam mit der Kleeblatt-Pflegeheim-Gesellschaft, in deren Ludwigsburger Personalabteilung sie arbeitet. Vor einer Woche hat der Lastwagen die Sammelstelle in Steinheim an der Murr verlassen.