Andrii Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, appelliert an das EU-Parlament, sich von russischem Gas unabhängig zu machen. Foto: www.marco-urban.de/Marco Urban

Andrii Melnyk befürchtet, dass Europa seine Abhängigkeit von russischem Gas weiter ausbauen könnte

Gegen Russlands Krieg in der Ukraine formieren sich bisweilen überraschende Allianzen. Andrii Melnyk, Kiews Botschafter in Deutschland, ist bisher nicht als Umweltschützer aufgefallen. Nun aber schickte der Diplomat ein Schreiben an die deutschen Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Darin fordert Melnyk die Politiker auf, gegen die sogenannte Taxonomie zu stimmen. Das ist eine Liste, in der festgelegt werden soll, welche sauberen Energiearten beim Umbau der EU auf ihrem Weg zur angestrebten Klimaneutralität gefördert werden sollen. Zum Entsetzen der Umweltschützer stehen darauf auch Atomenergie und Gaskraftwerke.

Nicht den Umweltschutz im Auge

In dem Schreiben des Botschafters wird allerdings schnell deutlich, dass Melnyk nicht den Umweltschutz im Auge hat. Zumal die Ukraine mit seinen Atommeilern zur Kernkraft ein eher positives Verhältnis pflegt. Der Diplomaten hat ein großes Problem mit dem Gas in der Taxonomie. Er warnt, dass sich die EU mit dem Ausbau der Gas-Infrastruktur auf Jahre hinaus weiter in die Abhängigkeit von Russland begeben würde. „Gazprom, Rosatom und Lukoil haben in Brüssel offenbar entsprechende Lobbyarbeit geleistet“, vermutet der ukrainische Botschafter. In Moskau reibe man sich sicherlich die Hände und das wäre ein fatales Signal an die Menschen in seiner Heimat. Aus diesem Grund appelliert Andrii Melnyk an die EU-Abgeordneten, die Taxonomie abzulehnen.

Freude über die prominente Unterstützung

Die Gegner der Taxonomie im EU-Parlament sind natürlich hocherfreut, so prominente Unterstützung zu bekommen. „Wenn wir Atomkraft und Gas in die grüne Taxonomie aufnehmen, begeben wir uns direkt in die Fesseln Putins“, erklärt Michael Bloss, Europaabgeordneter der Grünen.

Auch der CDU-Politiker und Taxonomie-Kritiker Peter Liese hat den Brief von Melnyk in seinem Postfach gefunden. Er streicht heraus, dass die Investitionen in LNG-Terminals, mit denen russische Gaslieferungen umgangen werden könnten, mit der geplanten Taxonomie teurer würden, da sie nicht als förderungswürdig gelten. „Investitionen in die klassische Gasinfrastruktur würden tendenziell günstiger werden, da sie unter bestimmten Bedingungen taxonomiekonform sind“, erklärt Liese. Der russische Energieminister Nikolai Shulginov sehe die Regelung deshalb als „große Chance für Russland“.

Nun hoffen die Gegner der Taxonomie, dass mehr Europaparlamentarier in der kommenden Woche gegen den umstrittenen Rechtsakt stimmen. Denn der ist nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht mehr nur ein Umweltprojekt, sondern hat auch eine sicherheitspolitische Dimension bekommen.