Das riesige Schiff, 227 Meter lang, wird vor der Westküste Norwegens von bis zu 15 Meter hohen Wellen kräftig durchgeschüttelt. Foto: NTB scanpix

Es ist ein Alptraum auf dem Wasser: Ein Kreuzfahrtschiff bekommt während eines Sturms vor einer gefährlichen Küste Norwegens Probleme mit seinem Antrieb. Mehr als 1000 Menschen verbringen eine unruhige Nacht auf See.

Oslo - Ein Kreuzfahrtschiff gerät in Seenot, nahe einem für Schiffsunfälle berüchtigten Küstengebiet. 1373 Menschen sind an Bord, die meisten von ihnen harren über Nacht auf dem Havaristen aus. Draußen tobt ein Sturm. Das riesige Schiff, 227 Meter lang, wird vor der Westküste Norwegens von bis zu 15 Meter hohen Wellen so kräftig durchgeschüttelt, dass Möbel und anderes an Deck zu Bruch gehen. Es droht vorübergehend sogar, auf Grund zu laufen. Mehrere Menschen werden in dem Chaos verletzt, drei von ihnen schwer.

Was eine entspannte Kreuzfahrt entlang der norwegischen Küste werden sollte, ist für Hunderte Passagiere der „Viking Sky“ am Wochenende zu einem Alptraum auf See geworden. Wegen eines Maschinenschadens blieb das unter norwegischer Flagge fahrende Kreuzfahrtschiff am Samstag während eines Sturms in dem gefährlichen westnorwegischen Küstenabschnitt Hustadvika liegen. Nach Reedereiangaben waren 915 Passagiere und 458 Besatzungsmitglieder an Bord. Hubschrauber flogen Hunderte Urlauber an Land, auch in der Nacht. Die meisten von ihnen waren Briten und Amerikaner. Auch zwei Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit zählten zu den Passagieren.

„Ich musste an die Titanic denken.“

„Ich hatte Angst. Ich habe noch nie so etwas Beängstigendes erlebt“, sagte eine der ersten Evakuierten, Janet Jacob, dem norwegischen Rundfunksender NRK. „Ich habe zu beten begonnen, ich habe für die Sicherheit von allen an Bord gebetet.“ Der Amerikaner Rodney Horgen berichtete, er habe gerade im Restaurant gesessen, als das Schiff heftig zu schwanken begonnen habe. Teller seien von Tischen geflogen, Menschen zu Boden gegangen. Ein Fenster oder eine Tür sei zu Bruch gegangen und eine Welle ins Schiffsinnere geschwappt. „Ich musste an die Titanic denken. Ich dachte, das wäre das Ende.“

Aufnahmen der verbleibenden Menschen an Bord zeigten dramatische Szenen: Die „Viking Sky“ schwankte heftig, durch die Fenster sahen die Passagiere riesige Wellen. Sessel, Tische und Pflanzen rutschten im Schiff hin und her, einer Frau fiel ein Teil der Decke auf den Kopf. Viele trugen Rettungswesten. Ein Passagier schrieb, die Besatzung mache einen fantastischen Job und sorge dafür, dass alle ruhig und versorgt seien.

Evakuierung vorerst ausgesetzt

Am Sonntag wurde das Schiff mit Hilfe von Schleppern langsam in Richtung des Hafens der Stadt Molde gebracht. Die Evakuierung der „Viking Sky“ wurde währenddessen vorerst ausgesetzt. Später schaffte es das Schiff, aus eigener Kraft vorwärts zu kommen. Während bis zu dem Zeitpunkt rund 480 Menschen an Land gebracht werden konnten, harrten fast doppelt so viele weiter an Bord aus. „Sie hatten keine gute Nacht“, sagte ein Sprecher der Kommune Fræna. Die Besatzung des Schiffes habe aber äußerst professionell gehandelt.

Die „Viking Sky“ war seit dem 14. März auf einer Zwölftagesreise entlang der norwegischen Westküste. Sie sollte laut der Webseite Cruisemapper.com am Sonntag eigentlich den Hafen von Stavanger anlaufen und ihre Reise am Dienstag schließlich in London beenden. Eine nächste Reise des Schiffe entlang Skandinaviens Küste und durch den Nord-Ostsee-Kanal wurde abgesagt, wie die Reederei mitteilte.

Lage war am Samstagabend kritisch

Im Küstengewässer Hustadvika, das unter anderem wegen zahlreicher kleiner Inseln und Riffe als gefährlich gilt, ist es schon häufiger zu Schiffsunfällen gekommen. Nach Angaben des NRK war das Schiff zeitweise nur noch 100 Meter davon entfernt, auf Grund zu laufen. Die Lage sei am Samstagabend kritisch gewesen, nun aber unter Kontrolle, erklärte der südnorwegische Rettungsdienst am Sonntagnachmittag. Das Schiff wurde am Nachmittag im Hafen von Molde erwartet.

Die Reederei Viking Ocean Cruises teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, die zwei deutschen Frauen unter den Passagieren seien 74 und 66 Jahre alt. Ob sie bereits in der Nacht von Bord geholt wurden oder am Sonntag weiter auf dem Schiff ausharrten, war laut einem Sprecher nicht bekannt. Das Rote Kreuz teilte mit, viele der Passagiere seien traumatisiert. Sie würden an Land psychologisch betreut.

Die Einsatzkräfte in dem Gebiet hatten am Samstag auch die neunköpfige Besatzung eines ebenfalls in Seenot geratenen Frachters retten müssen. Die „Hagland Captain“ hatte laut dem Rettungsdienst ebenfalls einen Maschinenschaden und bekam Schlagseite - als sie auf dem Weg zur „Viking Sky“ war, um zu helfen.