Grüne Parteiprominenz begrünt beim Länderrat ein bisher karges Biotop in Berlin (von links): Simone Peter, Anton Hofreiter und Winfried Kretschmann. Foto: dpa

Wenn die Grünen weiter wachsen und siegen wollen, brauchen sie vor allem eines: Bereitschaft zum Kompromiss. Für diesen Rat erntet Wahlsieger Winfried Kretschmann erstaunlich wenig Widerspruch beim Länderrat.

Berlin - Passen die ausgewählten Setzlinge für das Kleinklima in der Hauptstadt, oder nicht? Wahrscheinlich wären die Grünen nicht die Grünen, wenn sie die Frage vor der Bepflanzung eines ziemlich überschaubaren Biotops in einem Berliner Hinterhof nicht hin- und her wenden würden. Aber trotz Meinungsunterschieden in den gärtnerischen Details greift die versammelte Partei- und Fraktionsprominenz zu Beginn des kleinen Parteitags in Berlin pragmatisch und beherzt zu Spaten und zur Gießkanne.

Auch Winfried Kretschmann hilft bei der Gartenarbeit. Der Wahlsieger aus Stuttgart, der gerade rechtzeitig vor dem Länderrat der Grünen im ZDF-Politbarometer noch zum populärsten Politiker der Republik aufstieg, spielte sowieso eine Hauptrolle bei dem Delegiertentreffen. Dessen Hauptaufgabe war, die Lage nach den drei Landtagswahlen zu analysieren und Schlussfolgerungen für die Bundestagswahl daraus zu ziehen.

Aus Kretschmanns Sicht gibt es einen klaren Weg, um den Wahlerfolg im Südwesten bei den kommenden Landtagswahlen und bei der Bundestagswahl zu konsolidieren. Der Ausgangspunkt sei, dass Deutschland schon heute ökologischer, weltoffener und mithin grüner sei, als die CDU es für möglich gehalten habe. „Wir müssen uns da endlich an die Spitze stellen und dürfen den Dingen nicht immer nur hinterher bellen“, mahnte er.

„Auch Umwege führen zum Ziel, nicht nur der direkte Weg“

Dabei legte er seiner Partei ans Herz, eigene Alternativen zur Lösung aktueller Probleme zu entwickeln und keine Angst vor Kompromissen haben. „Wir müssen klar in den Zielen sein und offen in den Wegen“, betonte er. „Auch Umwege führen zum Ziel, nicht nur der direkte Weg.“ Wenn es den Grünen gelinge, umsetzbare Perspektiven glaubhaft zu vertreten, „dann können wir die Republik auf Dauer prägen und weiter wachsen“.

Für seine Rede erntete Kretschmann nicht nur Blumen und stehenden Applaus, sondern auch kaum Widerspruch. Die Parteichefin Simone Peter, die den linken Parteiflügel vertritt, wies gerade mal darauf hin, dass es auch „die richtigen Bedingungen“ braucht, damit die Grünen wachsen und in neue Wählerschichten vorstoßen können, und dass die Gegebenheiten von Land zu Land unterschiedlich seien. Für den Fraktionschef Toni Hofreiter, ebenfalls ein Partei-Linker, heißt das Wahlziel 2017, die große Koalition abzulösen und eine grüne Regierungsbeteiligung zu erreichen. „Wie man das dann hin kriegt, entscheidet am Ende der Wähler. Das müssen wir nicht nur der CDU sagen, sondern auch der SPD“, forderte er. Dass die Kompromissbereitschaft Grenzen haben muss, betonte Hofreiter allerdings auch: Kompromisse in Koalitionen seien „kein Verrat“ solange die Haltung der Grünen erkennbar sei.

Der Parteichef Cem Özdemir lobte die Partei für ihre Geschlossenheit und ihre Offenheit in Bündnisfragen. „Bei uns gibt es niemanden, der an Ausschließeritis leidet“, betonte er. Sein strategisches Konzept brachte er auf die Formel: Wir müssen Kretschmann kapieren – nicht kopieren.“

Habeck: Grüne dürfen nicht mehr die „Umwelt-App“ von CDU und SPD sein wollen

Der Europa-Abgeordnete Reinhard Bütikofer mochte der proklamierten Einigkeit nicht recht trauen. „Schön, dass wir alle den Choral singen: Wir sind Kretschmann“, sagte er. „Wir wissen aber auch: Wir sind es nicht – oder jedenfalls noch nicht genug“. Auch der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck, der Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl werden möchte, forderte weitere Veränderungen. „Wir müssen Relevanz beweisen und aufhören, die ,Umwelt-App‘ von CDU und SPD sein zu wollen.“