Dieses Foto, das der russische Oppositionsführer am Mittwoch, 23. September 2020 auf seinem Instagram-Account veröffentlicht hat, zeigt Alexej Nawalny auf einer Parkbank sitzen (Archivbild). Foto: dpa/Uncredited

Ein Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB hat nach Angaben des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny eingeräumt, an dem Giftanschlag auf ihn beteiligt gewesen zu sein.

Berlin - Ein Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB hat nach Angaben des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny eingeräumt, an dem Giftanschlag auf ihn beteiligt gewesen zu sein. „Ich habe meinen Mörder angerufen, er hat gestanden“ schrieb Nawalny am Montag beim Online-Dienst Twitter. In einem Blog-Eintrag erklärte er, den FSB-Agenten Konstantin Kudrjawzew vergangene Woche unter falschem Namen angerufen zu haben, woraufhin dieser Details des Mordversuchs preisgegeben haben soll.

Moskau weist Anschuldigungen zurück

Nawalny veröffentlichte zudem ein Transkript und einen Mitschnitt des mehr als 45-minütigen Telefonats. Zuvor hatten der „Spiegel“ sowie die Rechercheplattformen „Bellingcat“ und „The Insider“ von dem Telefonat berichtet. Russische Behörden und der Kreml äußerten sich bisher nicht dazu.  

Der „Spiegel“ hatte vor einer Woche bereits berichtet, dass ein Kommando aus acht FSB-Agenten für den Giftanschlag auf Nawalny am 20. August verantwortlich gewesen sei. Moskau hatte dies zurückgewiesen.

Nawalny erklärte, er habe mit unterdrückter Nummer mehrere Angehörigen der Sicherheitsbehörden angerufen und sich als Assistent des Sekretärs des russischen Sicherheitsrats ausgegeben. Fast alle Angerufenen hätten demnach aufgelegt, außer einem, den Nawalny als den FSB-Agenten Kudrjawzew identifiziert haben will. 

FSB-Agent plaudert alles aus

In dem Telefonat habe Kudrjawzew Hinweise gegeben, wer den Giftanschlag ausgeführt haben dürfte und wie die Tat vertuscht werden sollte. Nawalny veröffentlichte keinen Beweis zur Identität Kudrjawzews, schrieb aber, dass eine Stimm-Analyse seine Behauptung bestätigen würde. Die Telefonnummer habe er von „Bellingcat“ bekommen.

Nawalny war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. Zwei Tage später wurde der 44-Jährige, noch im Koma liegend, zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité gebracht. Nach Angaben von drei europäischen Laboren, deren Ergebnisse von der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) bestätigt wurden, wurde Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet.

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In der Aufnahme sagt der mutmaßliche Kudrjawzew, die Täter hätten das Nervengift auf der Innenseite von Nawalnys Unterhose aufgebracht. Dass dieser überlebte, war demnach offenbar lediglich der Tatsache geschuldet, dass der Pilot der Maschine nach Nawalnys Zusammenbruch eine Notlandung in Omsk vorgenommen hatte. Kudrjawzew gab an, nach der Notlandung und der Einlieferung Nawalnys in ein Krankenhaus gemeinsam mit einem weiteren FSB-Agenten nach Omsk gereist zu sein, um in der sibirischen Stadt Kleidungsstücke von Nawalny einzusammeln und Spuren des Gifts zu beseitigen. 

Laut dem „Spiegel“-Bericht waren Kudrjawzew sowie der mutmaßliche Koordinator der Operation zur Vergiftung Nawalnys, Oleg Tajakin, vor dem Anschlag in die russische Küstenstadt Sotschi geflogen. Handydaten belegen demnach, dass sie sich dort in der Nähe der Residenz von Russlands Präsident Wladimir Putin aufgehalten hatten. 

Anschlag ohne das Wissen des Kremls?

Nach Einschätzung der EU hätte der Giftanschlag auf Nawalny nicht ohne das Wissen und die Genehmigung staatlicher russischer Stellen stattfinden können. Im Oktober verhängten ihre Mitgliedstaaten deshalb Sanktionen gegen russische Funktionäre im engsten Umfeld von Staatschef Wladimir Putin, darunter der Vize-Chef der Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko.

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Nawalny befindet sich noch immer in Deutschland, um sich von den Folgen des Giftanschlags zu erholen. Der Kreml-Kritiker hat in der Vergangenheit Putin persönlich für den Anschlag verantwortlich gemacht.