Kai Buschmann zeigt der israelischen Generalkonsulin Sandra Simovich (Mitte) und dem Oberbürgermeister Dirk Schönberger... Foto:  

In Remseck lebte lange Jahre eine der größten jüdischen Gemeinschaften in Württemberg. Die Relikte aus dieser Zeit will ein neuer Rundwanderweg aufzeigen, der für die Remstalgartenschau entwickelt wurde.

Remseck - Am Namen von Abraham Herz werden viele Remsecker künftig nicht mehr vorbeikommen. Denn der Gemeinderat hat beschlossen, eine Straße im Neubaugebiet „Nördlich Brunnenstraße“ nach dem Mann zu benennen, der als der erste jüdische Gemeinderat in Württemberg gilt. Seine Geschichteund die von vielen seiner Glaubensbrüder dürften aber die wenigsten Menschen in der Stadt kennen. Genau das will Kai Buschmann in den kommenden Monaten ändern.

Gemeinsam mit der Stadtverwaltung hat der Hobby-Historiker und FDP-Gemeinderat einen neuen Rundwanderweg ersonnen, der zu den „Jüdischen Spuren in Remseck“ führt, so der offizielle Titel. Während der aktuell laufenden Gartenschau wird Buschmann an insgesamt fünf Terminen Besucher mitnehmen auf eine Reise in eine Zeit, zu der vor allem der Stadtteil Hochberg eines der bedeutendsten jüdischen Zentrenin der Region war.

Der erste Gemeinderat jüdischen Glaubens in Württemberg

Als Abraham Herz im Jahr 1845 in den Gemeinderat gewählt wird, waren von etwa 800 Hochbergern 300 jüdischen Glaubens. Der Grund: Die Freiherrn von Gemmingen, denen der Ort einst gehörte, sahen die Juden als willkommene Einnahmequelle, konnten sie doch eine Schutzgebühr für ihre Ansiedlung verlangen – denn im Herzogtum Württemberg war das ab 1496 verboten. Auch als der Ort an den Herzog Friedrich Eugen von Württemberg verkauft wurde, änderte sich nichts daran, dass die jüdische Gemeinde fest zu Hochberg gehörte. Erst 1939 verlies mit Adolf Falk der letzte Jude den Ort, um sich nach England zu retten.

Wie präsent die Spurender heute fast vergessenen Vorfahren sind, wir klar, wenn Buschmann durch die Hochberger Hauptstraße führt: Über dem Portal der evangelischen Schlosskirche prangt ein Davidstern als Zeichen dafür, wie lebhaft der Dialog zwischen den Religionen zum Zeitpunkt des Kirchenbaus 1854 war.

Ein Wirt rettet die Synagoge in der Pogromnacht

Ausgerichtet wurde die Schlosskirche an der Synagoge, die nur ein paar Hundert Meter entfernt steht und 1828 gebaut wurden. Damit auch sie im Rahmen der Führung besucht werden kann, braucht es den Segen von Pastor Dieter Jäger – denn seit vielen Jahren gehört die ehemalige Synagoge der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde Waiblingen-Hegnach. Seit 1914 ist ein Kreuz in die frühere Thora-Nische gemalt, und beinahe ebenso lange finden christliche Veranstaltungen in dem ehemals jüdischen Gotteshaus statt. Alle großen baulichen Veränderungen, das betont Jäger, ließen sich aber recht einfach rückgängig machen.

Dass die ehemalige Synagoge überhaupt erhalten ist, ist der Hochberger Bevölkerung und einem mutigen Wirt zu verdanken: Als sich während der Reichspogromnacht 1938 ein wütender Mob vor dem Gebäude versammelte, konnten der Besitzer des Lokals Zur Sonne gemeinsam mit anderen Bürgern verhindern, dass das Gotteshaus geschändet wird – mit dem Hinweis, dass die jüdische Gemeinde es seit Jahren nicht mehr nutze.

Die israelische Generalkonsulin kommt zur Eröffnung

Ein anderer Ort, an dem das jüdische Erbe eindrücklich wird, präsentiert Kai Buschmann gegen Ende seiner Tour: den rund 2200 Quadratmeter großen jüdischen Friedhof, am Ortsausgang von Hochberg malerisch über dem Neckar gelegen, von einer Natursteinmauer und einer mehr als 250 Jahren alten Eiche eingerahmt. Normalerweise ist er nicht zugänglich, im Rahmen der Wanderung aber sind die exakt 246 Grabsteine zu besichtigen. Die ältesten mit rein hebräischer, die jüngeren auch mit deutscher Inschrift.

Welche Bedeutung die jüdische Geschichte Remsecks über die Stadt hinaus hat, zeigt der Besuch von Sandra Simovich: Die Generalkonsulin des Staates Isreal, nach dem Berliner Botschafter Jeremy Issacharoff die höchste Repräsentantin in Deutschland, war unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen eigens aus München für die Eröffnung des neuen Wanderwegs angereist. Antisemitismus sei heutzutage ein großes Problem, sagt sie. Für das Verständnis zwischen den Religionen seien Projekte wie die neue Führung deshalb entscheidend. „Es ist wichtig, so etwas nicht nur in der Schule zu lernen. Es muss auch physisch erlebbar werden.“