Man sieht es den Automaten am Göppinger Bahnhof nicht an, aber schon heute kann man dort Fahrkarten für den VVS lösen – allerdings nur für die Schiene. Ein Beitritt des Kreises zum VVS würde den Kunden Zugang zu wesentlich mehr ermöglichen. Foto: Schnebeck

Experten und Bürger haben am Dienstag viele gute Argumente für den verkehrlichen Anschluss an die Region Stuttgart auf den Tisch gelegt. Doch ob der Kreistag dafür stimmt, ist weiter offen. Denn die Folgen für den Etat wären enorm.

Göppingen - Nach wie vor haben vor allem die CDU-Fraktion und die Freien Wähler im Göppinger Kreistag Zweifel an einem Beitritt des Kreises in den Stuttgarter Verkehrsverbund VVS. Sie befürchten, dass die zusätzlichen Kosten von rund 3,5 Millionen Euro im Jahr den Kreisetat sprengen. Zumal in den kommenden Jahren mit dem Neubau der Klinik am Eichert und der Erweiterung des Landratsamts ohnehin enorme Ausgaben anstehen.

Hätten die Bürger und Vertreter von Unternehmen zu entscheiden, wäre der Beitritt hingegen längst vollzogen. „Man spricht immer von der Jugend, aber ich bin jetzt 78, und für meine Generation ist das VVS-Angebot auch toll“, sagte etwa der Göppinger Winfried Hahn am Dienstagabend bei einer Debatte zum Thema VVS. Peter Kunze vom Göppinger Stadtseniorenrat machte sich für den Anschluss ebenso stark wie sein Amtskollege aus dem Voralbgebiet. Martina Lambeck, die Personalchefin der Firma Schuler, betonte, wie wichtig die Integration für ihr Unternehmen sei, da es viele Pendler beschäftige. Die Betreiberin des Badhotels in Boll, Heike Kauderer, berichtete, wie schwer es sei, Fachkräfte zu finden, weil die Verbindungen in andere Landkreise so schlecht seien.

Die Rede ist von einer „historischen Entscheidung“

Das Landratsamt hatte den Austausch in den Räumen der IHK organisiert, um den Kreisräten eine möglichst breite Entscheidungsgrundlage zu bieten. Dabei zeigte sich schnell, dass sich die Bürger, die Unternehmer, Regional- sowie Landespolitiker und Verkehrsexperten im Grunde einig sind. Sie alle sehen in einem Anschluss an den VVS große Chancen für den Kreis. Immer wieder war die Rede von einer „historischen Entscheidung“, von einer einmaligen Chance, die man sich nicht entgehen lassen dürfe.

Der Heilbronner Verkehrswissenschaftler Tobias Bernecker etwa hat die Kosten und den Nutzen gegenübergestellt. Zu den Vorteilen gehören demnach die vielen Erleichterungen für Fahrgäste, etwa die wesentlich größere Übersichtlichkeit der Angebote und dass die Fahrgäste künftig mit einem Ticket Bus und Bahn in der ganzen Region nutzen könnten. Aber auch für die Kommunen und die Verwaltung gibt es Bernecker zufolge Vorteile: So rechnet er damit, dass der Kreis als Wohn- und Wirtschaftsstandort gewinnen würde. Die Kreisverwaltung schließlich würde von Synergieeffekten profitieren, weil der VVS eine ganze Schar von Mitarbeitern habe, die sich etwa um Verkehrsplanung und Marketing kümmerten und die das dann auch für den Kreis übernehmen würden.

VVS-Chef wirbt leidenschaftlich für Göppinger Beitritt

Einen flammenden Appell für den Beitritt hielt der VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Er wies auf die vielen Sonderangebote hin, die es beim VVS gebe und die dann auch Kunden aus dem Kreis nutzen könnten; das Seniorenticket etwa, mit dem Kunden von 65 Jahren an für 45 Euro im Monat im ganzen VVS-Gebiet fahren können. Oder Kombitickets, bei denen Eintrittskarten für Veranstaltungen zugleich als Hin- und Rückfahrkarte für den VVS fungieren. Viele Zuhörer träumten da schon von einer Zukunft, in der man mit dem Ticket für ein Spiel der Frisch-Auf-Handballer aus dem Voralbgebiet zur EWS-Arena nach Göppingen und zurück fahren könnte.

Stammler wies auch daraufhin, dass der VVS mehr biete als Vereinfachungen bei den Tarifen. So plane der Verbund auch viele neue Strecken – und zwar nicht nur für die S-Bahn. Er könne sich im Kreis Göppingen etwa sehr gut zusätzliche, kreisübergreifende Expressbus-Verbindungen vorstellen, etwa eine Linie von Geislingen nach Kircheim oder aus dem Voralbgebiet in den Esslinger Raum oder auf die Alb.

Der Landrat Edgar Wolff, der sich ebenfalls für einen Beitritt stark macht, goss dennoch Wasser in den Wein: Er wies daraufhin, dass der Beitritt nur mit einer besseren Vertaktung von Bus und Schiene sinnvoll sei, die der Kreis zurzeit ebenfalls angehe. Da dies aber teurer werde als angenommen, beliefen sich die Mehrkosten insgesamt auf rund sechs Millionen Euro im Jahr. Der Kreis müsse einige Freiwilligkeitsleistungen streichen, um das zu finanzieren und vermutlich auch an der Kreisumlage drehen. Wolff will den Kreisräten bei den Beratungen über den Beitritt im Februar oder März Vorschläge vorlegen.