Bei anderen sehr für Transparenz: die AfD-Mitglieder Jürgen Spiegel und Sandro Scheer (v.l.) beobachten bei der Bundestagswahl 2017 die Auszählung im Göppinger Rathaus. Foto: Foto/Archiv: Michael Steinert

Die AfD schließt wegen interner Streitereien bei ihrer Mitgliederversammlung die Presse aus. Normalerweise setzen Parteien auf Transparenz.

Göppingen - Einer der beiden Kreisvorsitzenden der AfD, der ehemalige Göppinger Baubürgermeister Joachim Hülscher, steht vor der Tür der Bartenbacher Pizzeria Schützenhaus und hält Ausschau nach Gästen. Was er sieht, versetzt ihn nicht in Begeisterung: „Oh! Guten Abend, wie haben Sie von unserer Versammlung erfahren? Wir haben den Termin doch gar nicht veröffentlicht“, sagt er an die Vertreter der Presse gewandt, die sich anschicken, die Pizzeria zu betreten. „Sie können gerne reinkommen, aber ich kann nicht versprechen, dass Sie bleiben dürfen.“

Wenn bei Parteien Debatten über deren Arbeit, den Umgang untereinander oder die künftige Politik anstehen, ist die Presse dabei, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild machen kann. Angenehm sind solche Berichte für die Parteien selten, aber es herrscht Einigkeit darüber, dass sie notwendig sind – die rechtlich zulässige Möglichkeit, die Presse auszuschließen, wird praktisch nie genutzt. Außer von der AfD.

So offensiv die Partei auf ihren Facebook-Seiten im Kreis für ihre Ansichten und Veranstaltungen wirbt, über die Mitgliederversammlung in Bartenbach wurde dort kein Wort verloren. Überraschend ist das nicht, denn Insidern zufolge erschüttern zum wiederholten Mal interne Streitereien die Partei, und diese will man offensichtlich im Verborgenen ausfechten.

Mitglieder haben den Versammlungstermin heimlich bekannt gemacht

Etwa ein Drittel der Mitglieder vertrete zumindest zum Teil rassistische oder rechtsextreme Positionen, den anderen sei das „natürlich peinlich“, deshalb wolle man die Öffentlichkeit fernhalten, berichtet ein AfD-Mitglied hinter vorgehaltener Hand. Dass der Termin trotzdem bekannt wurde, ist Mitgliedern zu verdanken, die sich mit der Geheimhaltung nicht wohl fühlten und sich an die Presse gewandt haben, weil sie sich mehr Transparenz wünschen – und vielleicht auch, weil sie ihren internen Widersachern eins auswischen wollten.

Im Nebenraum der Pizzeria haben sich etwas mehr als 30 AfD-Mitglieder versammelt. Mit von der Partie ist auch der Landesvorsitzende Ralf Özkara. Offiziell ist er da, um ein Grußwort zu sprechen. Tatsächlich aber, so haben es Mitglieder berichtet, „um dem Kreisverband wegen Streitereien und rassistischer Posts in den Hintern zu treten“. Özkara äußert sich auf Nachfrage nicht dazu. Weil der Landesvorsitzende sein Grußwort lieber nicht-öffentlich halte, werde zunächst abgestimmt, ob die Presse den Raum verlassen müsse, sagt Hülscher zum Auftakt der Versammlung.

Journalisten müssen schon vor der Debatte gehen

Schon vor der Debatte darüber müssen die Journalisten gehen. Durch die Fenster der Wirtschaft kann man eine Viertelstunde später sehen, wie drei Viertel der Mitglieder die Hände heben, darunter auch die Kreisvorsitzenden Volker Münz und Joachim Hülscher. Gleich darauf kommt ein AfDler vor die Tür. „Herr Özkara spricht nicht-öffentlich“, sagt er. „Danach wird noch mal abgestimmt, was mit dem Rest der Versammlung ist.“ Eine halbe Stunde später folgt die nächste Abstimmung: Auch alles weitere soll nicht-öffentlich stattfinden. In einer Pressemitteilung werde am nächsten Tag das Wesentliche zusammengefasst.

Die Mail am nächsten Tag umfasst sechs Sätze. Darin steht, dass zwei Delegierte, Fabien Kranzeder und Kristof Heiko Heitmann, für den Bundesparteitag gewählt worden seien und dass Özkara die Mitglieder „zur Geschlossenheit“ aufgerufen habe. Außerdem wird der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Münz mit den Worten zitiert, jedes Mitglied solle sich für eine Politik der Vernunft einsetzen.

Wahlschlappe für den Kreisbüro-Leiter Sandro Scheer

Was nicht in der Mitteilung steht, erzählen AfDler unter der Hand: Özkara habe Streitereien und rechtsradikale Posts einiger Mitglieder kritisiert. Der Wahlkreisbüro-Leiter von Münz und AfD-Ortsverbandsvorsitzende Unteres Filstal, Sandro Scheer, habe sich ebenfalls als Delegierter beworben, aber eine Abfuhr erhalten. Nur 14 Mitglieder hätten für ihn gestimmt.

An Scheer gebe es Kritik wegen geschmackloser Posts. Außerdem sei lange über den stellvertretenden Kreisvorsitzenden und Geislinger Ortsverbandsvorsitzenden Uwe von Wangenheim gesprochen worden, der im Sommer ebenfalls mit einem rassistischen Post aufgefallen sei – nachdem er vor zwei Jahren bereits wegen eines rassistisch-sexistischen Posts vom Kreisverband gerügt worden sei.

Münz berichtet von Feinden in den eigenen Reihen

Mit diesen Informationen konfrontiert, bestätigt Münz am Montag, dass Scheer bei der Abstimmung gescheitert sei, was ja „ein ganz normaler demokratischer Vorgang“ sei. Über von Wangenheim, der für seinen Post in diesem Sommer erneut gerügt worden sei, habe man nur kurz gesprochen.

Mit Blick auf die kritisierten Posts von Sandro Scheer und Uwe von Wangenheim sagt Münz, dass Social Media eben „ein Teufelszeug“ sei. Es passiere schnell, „dass man etwas postet und erst im Nachhinein nachdenkt“. Münz verspricht künftig mehr Transparenz und erklärt gleichzeitig, dass man die aktuellen Probleme intern habe besprechen müssen, unter anderem auch, weil es in der Partei „Leute gibt, die uns schaden wollen, indem sie Halbwahrheiten verbreiten“.