Die Leiterin des Nürtinger Bürgeramts, Monika Austermann, will informieren und so den Bürgern einen unnötigen Gang aufs Rathaus ersparen. Foto: Ines Rudel

Bis in Bürgerämtern Fotoautomaten stehen, wird es noch dauern. Wer kein Bild hat, wird weggeschickt.

Kreis Esslingen - Seit Jahresbeginn kommen vermehrt Bürger ins Nürtinger Rathaus, die ohne ein Foto dabei zu haben Ausweisdokumente beantragen. Sie werden dann von den Mitarbeiterinnen im Bürgeramt freundlich nach Hause geschickt mit der Bitte, noch einmal zu kommen und dann ein Foto mitzubringen. Diese Fälle kommen nicht nur in Nürtingen, sondern auch in anderen Kommunen im Kreis Esslingen vor.

Fotografieren nur noch unter behördlicher Aufsicht möglich

Das Nürtinger Bürgeramt weist deshalb noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass ohne ein Passbild in der Hand keine Personalausweise oder Reisepässe beantragt werden können. Offenbar befinden sich manche Bürger im Glauben, dass ein Gesetzentwurf, der Ende des vergangenen Jahres bekannt geworden war, bereits in Kraft ist. Er sieht vor, dass Passfotos nur noch unter behördlicher Aufsicht bei Antragstellung angefertigt werden sollen. Das Mitbringen von biometrischen Fotos, die meist bei Fotografen gemacht werden, wäre dann hinfällig. Mit dieser Vorgehensweise will das Bundesinnenministerium der Dokumentenfälschung vorbeugen.

Zwar geht Monika Austermann, die Leiterin des Nürtinger Bürgeramts, davon aus, dass dieses Gesetz in Kraft tritt, aber bis alles organisiert ist, werden laut dem Innenministerium mindestens zwei Jahre vergehen. „Also, zurzeit werden hier im Bürgeramt keine Passbilder angefertigt. Sobald das Gesetz gültig ist und die erforderliche Ausrüstung bei uns in Nürtingen vorhanden ist, werden wir die Bilder hier machen“, sagt Monika Austermann.

Doppelter Weg aufs Rathaus soll vermieden werden

Das Rathaus möchte vermeiden, dass nicht richtig informierte Bürger umsonst zur Verwaltung kommen und dann unverrichteter Dinge wieder gehen müssen. Besonders ärgerlich ist es, wenn sie längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Vor einer Woche beispielsweise habe in Nürtingen die EDV gestreikt. Als dann Antragsteller ohne Foto an der Reihe waren und wieder abziehen mussten, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. „Zwar war niemand so richtig sauer, enttäuscht und irritiert waren manche Leute aber schon“, berichtet die Nürtinger Amtsleiterin. „Jeder Bürger, den wir wegschicken müssen, ist einer zu viel“, sagt Monika Austermann. Dem schließt sich der Sprecher der Stadt Esslingen, Roland Karpentier, an: „Wir möchten den Leuten einen unnötigen Gang aufs Rathaus ersparen.“

An dem Vorstoß des Innenministeriums gibt es indessen auch Kritik. Gibt es genügend Platz für Fotoautomaten in Rathäusern? Reicht dort das Personal für diese zusätzliche Aufgabe? Diese Zweifel sind etwa bereits in der Stuttgarter Stadtverwaltung geäußert worden.

Fotografen befürchten herbe Umsatzeinbußen

Widerstand kommt auch seitens von Fotografen. So hat sich erst vor wenigen Tagen der Bund professioneller Porträtfotografen an Innenminister Seehofer gewandt. Bei rund 36 Prozent der Verbandsmitglieder mache das Passbildgeschäft zwischen 20 und 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Kommt das Gesetz, fürchtet der Verband „einen herben Verlust und einen massiven Einbruch der Betriebsumsätze, eventuell sogar Geschäftsaufgaben oder Kündigungen von Mitarbeitern“.

Wie Morphing funktioniert

Ziel
Der Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums zur Stärkung der Sicherheit im Pass- und Ausweiswesen soll dem sogenannten Morphing einen Riegel vorschieben. Vor zwei Jahren schaffte es das Künstlerkollektiv Peng, auf diesem Weg ein Dokument zu bekommen. Eine Aktivistin hatte eigenen Angaben zufolge ihr Foto mit dem der damaligen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini „gemorpht“ und damit einen Pass beantragt.

Technik
Unter Morphing versteht man das computergenerierte Verschmelzen von mehreren Gesichtsbildern zu einem einzigen. Vor allem die Filmindustrie verwendet Morphing. 1985 wurde die Technik durch das prämierte Musikvideo „Cry“ von Godley & Creme erstmals bekannt. Aufmerksamkeit erregte im Jahr 1991 auch Michael Jackson mit dem Videoclip zu „Black or White“. In dem Clip werden in laufender Bewegung Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe und Aussehens ineinander verwandelt.