Viele Über-80-Jährige im Kreis Esslingen möchten sich gegen Corona impfen lassen. Doch vor Start der Kreisimpfzentren haben nur wenige einen Termin ergattert. Das Problem: Es ist sehr wenig Impfstoff da.

Kreis Esslingen - „Es ist ein Desaster“, schimpft Ursula Hofmann. Die Esslinger Grünen-Stadträtin wendet sich gleich am Dienstagmorgen an die Presse, um ihrem Ärger über die Corona-Impfterminvergabe im Kreis Esslingen Luft zu machen. Zu dieser Zeit hat die Tochter zweier 87-Jähriger schon mehrere Versuche, einen Besuch für ihre Eltern im Kreisimpfzentrum in Oberesslingen zu ergattern, hinter sich. Von der Webseite, die die Anmeldung eigentlich besonders komfortabel machen soll, wurde sie auf die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung verwiesen. Daraufhin wählte Hofmanns Vater die 116117, tippte immer wieder auf Anfrage Nummern ein, um zum richtigen Ansprechpartner zu gelangen. Woraufhin er nach Eingabe der Postleitzahl einfach aus der Leitung geworfen wurde. Es folgten viele Versuche bis in die Mittagszeit. Das Ergebnis: „Meine Eltern sind echt genervt, und ich bin auch genervt“, sagt Hofmann.

So oder so ähnlich erging es vielen Lesern: Überlastete Leitungen, wiederholtes Ausharren in der Warteschleife und dann am Ende die Nachricht, es stünden keine Impftermine mehr zur Verfügung. Das Problem: Zwischen Angebot und Nachfrage liegen Welten. Jedem Kreisimpfzentrum in Baden-Württemberg stehen derzeit nach Angaben des Sozialministeriums gerade einmal 585 Impfdosen pro Woche zur Verfügung. Und diese kommen gemäß der Impfstrategie des Landes nicht nur 80-Jährigen in den Impfzentren zugute, sondern auch dem Personal ambulanter Pflegedienste und in Intensivbereichen von Krankenhäusern. Zudem werden Impfdosen an mobile Impfteams für den Einsatz in Pflegeeinrichtungen ausgegeben.

Kaum mehr als 1000 Impfdosen

Andrea Wangner, Pressesprecherin des Landratsamtes Esslingen, bestätigt, dass in den zwei Impfzentren in der Zeppelinstraße in Oberesslingen und am Flughafen auf den Fildern je 1170 Impfdosen für die zwei Wochen nach dem Betriebsbeginn am 22. Januar angekündigt wurden. Wie viele Termine für Senioren, die nicht in Pflegeheimen leben, übrig bleiben, sagt keiner genau. Medienberichten zufolge rechnet das Sozialministerium aber mit etwa 150 pro Woche und Impfzentrum. Nachdem die Termine am Dienstag um 8.30 Uhr freigegeben worden waren, seien um 9.20 Uhr bereits alle im Kreis Esslingen vergeben gewesen, teilen die Malteser, die die Impfungen organisieren, mit.

„Wir können nur um Geduld bitten“, sagt Pascal Murmann von der Pressestelle des Sozialministeriums. Der Impfstoff sei einfach knapp. Nach der Ankündigung des Herstellers Biontech, ein belgisches Werk umzubauen und deshalb die vereinbarten Liefermengen nicht einhalten zu können, rechnet das Land in den kommenden Wochen mit 42 Prozent weniger Impfstoff als ursprünglich geplant. Weil die Lieferketten nicht stabil sind, hält das Land zudem 50 Prozent des schon vorhandenen Impfstoffs zurück, um die nötige Zweitimpfung nach drei Wochen für jeden Erstgeimpften garantieren zu können. Wann neue Termine in den Kreisimpfzentren freigegeben werden können, hängt Murmann zufolge von den weiteren Impfstofflieferungen ab. Er rät Senioren und deren Verwandten, sich nicht täglich und stundenlang in die Warteschleife zu hängen, sondern es alle paar Tage mal zu versuchen, da immer wieder Termine frei werden könnten.

Senioren sind frustriert

Viele Senioren und Angehörige sind frustriert. „Ich kann doch nicht die Bevölkerung zum Impfen ermutigen und sagen: ‚Jetzt ist es soweit’ – und dann ist nicht genug Impfstoff da“, sagt etwa der über 80-jährige Peter Schwarz aus Esslingen, der vergeblich versucht hat, einen Impftermin zu ergattern. Er findet zudem, dass die Anmeldung sehr kompliziert ist und für Senioren schwer zu meistern. Ursula Hofmann hätte sich außerdem vom Land und der Landkreisverwaltung eine frühere und bessere Information darüber gewünscht, dass so wenig Impftermine zur Verfügung stehen. „Man muss das den Menschen doch kommunizieren“, findet sie.