In 68 Kommunen im Land ist die Bremse getreten – vergeblich. Zu diesem Schluss kommen Mieter- wie Vermieterverbände (das Foto entstand in Stuttgart). Foto: Leif Piechowski

In Sindelfingen und Renningen steigen die Mieten exakt in gleichen Maß wie andernorts im Landkreis – und werden sich gemäß den Voraussagen der Immobilienabteilungen zweier Banken weiterhin erhöhen.

Böblingen - Gemessen an den Tatsachen war der Protest unnötig. Im Landkreis Böblingen hatte das Wirtschaftsministerium Ende 2015 Sindelfingen und Renningen auf die Liste der 68 Kommunen im Land gesetzt, in denen künftig die Mietpreisbremse gelten soll. In beiden Städten protestierte der Gemeinderat – wie andernorts ebenfalls. Dies stets mit dem Tenor: Warum wir und die Nachbarn nicht? Denn die Kommunalpolitiker befürchteten, dass wegen der Ertragsmöglichkeiten neue Mietwohnungen bevorzugt andernorts gebaut würden.

Was beispielhaft für Sindelfingen und Böblingen gilt. Die Nachbarstädte „haben praktisch einen gemeinsamen Wohnungsmarkt“, sagte damals der Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer. Der damalige Wirtschaftsminister Nils Schmid ließ auf solche Einwände nur erwidern, dass Kommunen kein Einspruchsrecht hätten.

Allerdings war die Sorge unbegründet, jedenfalls gemessen an Zahlen der Kreissparkasse Böblingen. „Wir haben immer gesagt: Dieses Instrument taugt nicht“, sagt deren Vize-Vorstandsvorsitzender Detlef Schmidt. Gut ein Jahr nach Einführung der Preisbremse hätten sich die Mieten in Sindelfingen und Renningen nicht anders entwickelt als in vergleichbaren Nachbarorten. Was heißt: Sie sind ebenso stark gestiegen und werden weiter steigen. Mit einem Plus von rund fünf Prozent rechnet die Sparkasse für dieses Jahr.

In Sindelfingen zahlen Mieter sogar mehr als in Böblingen

Ähnliches errechneten die Statistiker des Stuttgarter Bankhauses Ellwanger und Geiger. In Sindelfingen mussten Ende des vergangenen Jahres gemäß ihren Zahlen Mieter im Schnitt sogar 50 Cent mehr pro Quadratmeter zahlen als in Böblingen – mindestens 7,50 Euro, höchstens 14 Euro, Tendenz steigend. Für Renningen veranschlagen sie dieselbe Untergrenze und 10,80 Euro als Maximum. Damit liegt Renningen im kreisweiten Schnitt der kleineren Kommunen und auf dem Niveau der Großen Kreisstadt Herrenberg.

Wissenschaftler, Mieter- und Vermieterverbände kommen allesamt zu demselben Schluss wie der Sparkassen-Vize: Die Mietpreisbremse bremst nicht. Die Gründe für die Wirkungslosigkeit gelten als vielfältig. Gemäß einer Umfrage wissen zwei Drittel der Mieter nicht von ihrem neuen Recht, falls doch, klagen sie es nicht ein. Mindestens in Einzelfällen verstoßen Vermieter bewusst gegen die Regeln. Die eine Seite fordert ihre Verschärfung, was in der Bundesregierung auch diskutiert wird. Der anderen Seite gilt die Abschaffung als einzig sinnvoller Beschluss. Zumindest die Steinbeis-Hochschule in Berlin kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Mietpreisbremse Einkommensschwache benachteiligt und langfristig die Neigung ausbremst, in Neubauten zu investieren.

Neubauten gelten als dringend nötig, um die Mieten zu bremsen

Letztere gelten im Landkreis Böblingen als dringend nötig, um die Mieten tatsächlich zu bremsen. In den Städten, in denen ein Mietspiegel existiert, stiegen die offiziellen Preise für eine durchschnittliche 60-Quadratmeter-Wohnung seit 2012 um einen Euro pro Quadratmeter auf mindestens 9,55, höchstens 12,30 Euro. Bei Neuvermietungen, zumal in guten Lagen, wird mehr verlangt. Auch die Kreissparkasse kommt zu dem Fazit, dass „einkommensschwache Haushalte aufgrund der hohen Mieten Schwierigkeiten haben, eine passende Wohnung zu finden“. In der alltäglichen Praxis weisen die hauseigenen Makler zunehmend Interessenten ab, weil deutlich mehr Personen einziehen wollen, als der Vermieter wünscht.

Dass sich die Mieten in absehbarer Zeit anders entwickeln als nach oben, gilt den Sparkassen-Statistikern als unwahrscheinlich. Denn aus Mietersicht sind gute Nachrichten schlechte. Das Statistische Landesamt erwartet, dass die Zahl der Kreisbewohner wachst. Dies bis 2025 deutlich, in den Jahren danach schwächer. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen allein leben und Flüchtlinge nach und nach auf den Wohnungsmarkt drängen. Um den Bedarf zu decken, müssten gemäß Berechnungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt und Raumforschung bis 2020 im Landkreis jährlich 1700 Wohnungen gebaut werden, in den fünf Jahren danach 1500. Tatsächlich waren es im Jahr 2015 nur 1445. Daten für 2016 liegen noch nicht vor. Gemessen an der Zahl der Baugenehmigungen wird das Ziel 1700 deutlich verfehlt.