Für den kauf von Immobilien sollen wieder mehr Kredite zur Verfügung gestellt werden. Foto: dpa

Mit einer Initiative des Bundesrats will das Land Baden-Württemberg die Vergabe für Kredite für Wohnimmobilien erleichtern.

Stuttgart - Die Zahlen lassen aufhorchen: Um elf Prozent ist die Vergabe neuer Immobilienkredite an Privathaushalte seit April eingebrochen. Obwohl niedrige Zinsen und steigende Mieten viele Menschen auf die Suche nach einem Eigenheim treiben, verzeichnet die Bundesbank einen Rückgang der Darlehensneugeschäfte gegenüber dem Vorjahr. Im Sommer 2015 hatte die Kreditvergabe allerdings auch einen Rekordwert erreicht.

Es klemmt bei der Kreditvergabe

Auffällig ist, dass der Rückgang des Neugeschäfts nach einer Gesetzesänderung begann. Ende März traten nämlich neue Regeln für die Prüfung der Kreditwürdigkeit von Häuslebauern und Wohnungskäufern in Kraft. Was als Schutz vor Immobilienkrisen gedacht war, ging nach Einschätzung der baden-württembergischen Landesregierung zu weit: „Seit Monaten höre ich von vielen Seiten, dass es bei der Vergabe von Wohnimmobilienkrediten klemmt“, erklärte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) vergangene Woche. Gemeinsam mit Hessen dringt Baden-Württemberg deshalb auf eine Reform der Reform. Am heutigen Freitag soll die Initiative im Bundesrat vorgestellt werden.

Vor allem jungen Familien wollen die grün-schwarze Landesregierung in Stuttgart und die schwarz-grüne Koalition in Wiesbaden den Erwerb eines Eigenheims erleichtern. Nach Aussagen einiger Sparkassen und Banken ist die Kreditvergabe ausgerechnet an die Nestbauer ins Stocken geraten. Der Grund: Nach der neuen Rechtslage müssen die Institute darauf achten, dass der Darlehensnehmer Zinsen und Kreditraten über die gesamte Vertragslaufzeit leisten kann. „Dies ist zum Beispiel bei Selbstständigen oder jungen Familien oft schwierig“, kritisierte bereits im Sommer der Sparkassenverband Baden-Württemberg. Die Genossenschaftsbanken in Nordrhein-Westfalen wiederum klagten über Probleme, Senioren den altersgerechten Umbau ihrer Wohnungen zu finanzieren. Schließlich bestünden bei älteren Menschen Zweifel, ob sie ihre Schulden noch zu Lebzeiten abtragen könnten. Bislang waren solche Zweifel für die Vergabe von Immobilienkrediten nicht zwingend ein Hindernis, sofern der Wert des fraglichen Gebäudes als Sicherheit ausreichte. Immobilienkrisen in anderen Ländern haben allerdings gezeigt, wie schnell die Hauspreise sinken und solche vermeintlichen Sicherheiten verfallen können. Verbraucherschützer hatten die neuen Regeln für die Kreditwürdigkeitsprüfung der Darlehensnehmer deshalb ausdrücklich begrüßt. In der Vergangenheit hätten einige Banken „so eng kalkuliert, dass einige Betroffene in Gefahr laufen mussten, auszufallen“, schreibt der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) in einem Positionspapier. Die neue Rechtslage schütze Kreditnehmer vor einer Überforderung.

Konkreter Vorgaben werden gefordert

Eine Abschaffung der neuen Regeln ist auch nicht das Ziel der Bundesratsinitiative. Baden-Württemberg und Hessen wollen die Vorgaben für die Kreditwürdigkeitsprüfung vielmehr konkretisieren, um Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Beispiel: Aktuell heißt es im Gesetzestext, ein Immobiliendarlehen dürfe nur vergeben werden, wenn der Kreditnehmer „wahrscheinlich“ alle seine Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllen könne. Die beiden Länder schlagen dazu eine Auslegungshilfe vor: Als „wahrscheinlich“ ist eine Rückzahlung demnach anzusehen, „wenn der Darlehensnehmer bei Fortschreibung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei Vertragsschluss seinen Verpflichtungen nachkommen kann“.

Mit dieser Formulierung soll die Kreditvergabe an junge Familien erleichtert werden: Zwar gingen deren Einkommen durch Eltern- und Teilzeit oft vorübergehend zurück, dafür stünden junge Menschen in der Regel erst am Anfang ihrer Karriere und hätten noch Aussicht auf deutliche Gehaltserhöhungen, heißt es in der Begründung des Gesetzesvorschlags. Bei Selbstständigen und Freiberuflern könne für die „Fortschreibung der wirtschaftlichen Verhältnisse“ einfach das Durchschnittseinkommen der Vorjahre zugrunde gelegt werden. Verbraucherschützer sind allerdings skeptisch, ob die vorgeschlagenen Umformulierungen ihren Zweck erfüllen. „Ob damit tatsächlich alle Auslegungsprobleme ausgeräumt werden, da sind wir nicht sicher“, sagte VZBV-Experte Frank-Christian Pauli unserer Zeitung.

Einige Ausnahmeregeln

Für Neubauten und Renovierungen schlagen Baden-Württemberg und Hessen eine Ausnahmeregelung vor: Hier sollen Banken ihre Entscheidung über die Kreditvergabe künftig wieder hauptsächlich auf die zu erwartende Wertsteigerung des Gebäudes stützen dürfen. Damit sollten der Wohnungsbau, Modernisierungen und energetische Sanierungen unterstützt werden. Verbraucherschützer Pauli warnt allerdings, auch in diesen Fällen dürfe die Prüfung der Zahlungsfähigkeit des Darlehensnehmers nicht vernachlässigt werden: „Es dürfen nur Kreditverträge abgeschlossen werden, die den Verbraucher nicht absehbar überfordern.“ Positiv bewertet der Experte dagegen den Vorschlag, dass bei Anschlussfinanzierungen und Umschuldungen durch die gleiche Bank in der Regel keine neue Kreditwürdigkeitsprüfung erfolgen soll. Damit wollen die Initiatoren verhindern, dass Menschen ihre in der Vergangenheit zu anderen gesetzlichen Bedingungen finanzierten Häuser und Wohnungen wegen der zwischenzeitlich verschärften Prüfung verlieren.

Parallel zu den Beratungen des Bundesrats laufen Gespräche der Deutschen Kreditwirtschaft mit dem Bundesjustizministerium. Die privaten Banken melden zwar – anders als Sparkassen und Genossenschaftsbanken – kaum Probleme, setzen sich aber ebenfalls für mehr Klarheit ein.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.immobilienkredite-erschweren-die-neuen- regeln-den-hausbau.8c323553-2485-47e8-95f9-1a769d1209b7.html