Der gewaltsame Tod eines Tänzers hat in Brasiliens Metropole Rio de Janeiro wütende Proteste ausgelöst. Foto: Getty Images

Schüsse, brennende Barrikaden, blockierte Straßen – rund sieben Wochen vor WM-Anpfiff schüren Ausschreitungen in Rios Copacabana-Viertel die Angst vor Gewalt. Doch FIFA und Bundesregierung vertrauen auf die Behörden.

Schüsse, brennende Barrikaden, blockierte Straßen – rund sieben Wochen vor WM-Anpfiff schüren Ausschreitungen in Rios Copacabana-Viertel die Angst vor Gewalt. Doch FIFA und Bundesregierung vertrauen auf die Behörden.

Rio de Janeiro - Seit Wochen arbeiten Gerüstbauer in Rio de Janeiro mit Hochdruck an einer beeindruckenden Metallkonstruktion am Ende der Strandpromenade an der Copacabana. Direkt über der sechsspurigen Avenida Atlantica, einer der wichtigsten Verkehrsachsen der Stadt, entstehen improvisierte TV-Studios. Denn von hier gibt es einen atemberaubenden Panoramablick mit Zuckerhut, Strand und Luxushotels.

Doch nur ein paar Blocks hinter der beeindruckenden Fassade rumort es. In der Nacht zum Mittwoch kommt es im Touristenviertel Copacabana zu schweren Ausschreitungen. Aus Wut über den Tod eines anderen Favelabewohners schleudern junge Männer selbst gebaute Sprengsätze auf eine belebte Straße. Wenig später fliegen Flaschen und lodern die ersten Feuer. Schnell eskaliert der Protest. Auch diesmal trifft eine tödliche Kugel einen Demonstranten. Geschockte französische Touristen geraten in die Ausschreitungen, bleiben aber unverletzt. Die Bilder, die aus dem Gastgeberland der Fußball-WM in die Welt transportiert werden, lassen rund 50 Tage vor Beginn des Turniers nichts Gutes erahnen – auch wenn ein Bürgerkrieg am Zuckerhut noch nicht ausgebrochen ist.

Brasiliens linksgerichtete Präsidentin Dilma Rousseff hat sich schon vor Jahren auf eine Politik der militärischen Härte festgelegt. Von Drogengangs beherrschte Favelas werden in gezielten Polizeiaktionen „befriedet“. Die Säuberungsaktionen wurden jeweils angekündigt. Oft wurden Schusswechsel so vermieden. Wenn die Spezialkräfte eintreffen, sind die Gangs schon verschwunden.

Doch die Kritik an dieser Vorgehensweise nimmt zu: Immer wieder gibt es in den von den „Militärs“ besetzten Favelas Berichte über Polizeigewalt. Zudem werden die Probleme aus den „befriedeten“ Favelas durch die Säuberungsaktionen nicht beseitigt, sondern nur in andere Stadtteile verlagert.

Seit Tagen kommt es in der Finalstadt der WM, in der in zwei Jahren auch die Olympischen Spiele stattfinden sollen, immer wieder zu Scharmützeln zwischen Polizei und Favelabewohnern. In Niteroi, einem beliebten Vorort von Rio, ging jüngst eine der vielen Polizeiaktionen schief. Zwei Menschen starben bei einer Schießerei, die Hintergründe sind noch unklar. Kurz danach versammelten sich 200 Menschen bei der Beerdigung. Viele wollen die Vorfälle nicht auf sich beruhen lassen. Auch in der Favela auf dem Gelände einer Telefongesellschaft in Rio kam es zu schweren Ausschreitungen, als Bagger das Lager räumten und die Hütten samt Habseligkeiten platt walzten. Die mehrfache Aufforderung, das Gelände zu räumen, hatten die Favelabewohnerignoriert.

Dabei waren zahlreiche Polizisten unter den Verletzten. Sie sind ohnehin die Prügelknaben und müssen ausbaden, was Politik und Wirtschaft versäumt haben. In Salvador, einem Spielort der deutschen Nationalelf, gingen Polizisten vor ein paar Tagen in den Ausstand: Prompt stieg die Mordrate spürbar, und es kam zu Plünderungen.

Sind das Vorboten der in einem vertraulichen Regierungsdossier befürchteten schweren Ausschreitungen der Protestbewegung während der WM? Oder nur Momentaufnahmen? General Roberto Escoto, Befehlshaber von 2000 Soldaten, die zuvor im Rahmen einer UN-Mission in Haitistationiert waren und nun im Viertel Mare neben dem internationalen Flughafen für Sicherheit sorgen sollen, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die kriminellen Vereinigungen in der Mare sind wesentlich zahlreicher und besser bewaffnet als die Gangs in Haiti.“

Unmittelbar vor Rios moderner Kathedrale haben unterdessen vertriebene Favelabewohner ihr Lager aufgeschlagen. „Die Weltmeisterschaft hat uns nichts gebracht, keine Arbeitsplätze und keine Perspektive“, sagt Campbewohner Rodrigo Moreiro. Seine Mitbewohner haben mit Kreide das Motto der WM-Gegner auf den Asphalt gemalt: „Es wird keine WM geben.“

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die brasilianische Regierung für die Sicherheit von Spielern und Fans sorgen kann. „Wir haben volles Vertrauen in das, was unsere brasilianischen Kollegen in den letzten Jahren organisiert haben. Das wird ganz sicher ein großes Fußballfest“, so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch.