Bunte Vielfalt, gefährliche Vielfalt: Ein Medikationsplan kann Leben retten. Foto: dpa-Zentralbild

Wer nimmt wann welche und wie viele Pillen? Ein Medikationsplan soll Patienten und Ärzten den Überblick verschaffen.

Stuttgart - Jeder vierte gesetzlich Versicherte über 65 Jahre bekommt vom Arzt vier oder mehr Medikamente gleichzeitig verschrieben. Zusätzlich nehmen viele Patienten Arzneimittel ein, die nicht verschreibungspflichtig sind, und informieren ihren Arzt nicht darüber. Doch je mehr Wirkstoffe man einnimmt, desto wahrscheinlicher treten unerwünschte Nebenwirkungen auf – zum Beispiel Übelkeit, Verwirrung oder Müdigkeit. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geht man davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa zwei Millionen Notaufnahmefälle auf unerwünschte Nebenwirkungen zurückzuführen sind. Die Stadt Stuttgart hat deshalb vor kurzem in Kooperation mit dem Aktionsbündnis Sichere Arzneimittelanwendung Heidelberg das Projekt „MeinPlan Stuttgart“ vorgestellt: Einen Medikationsplan, in den Patienten eintragen können, welche Medikamente sie nehmen. „Es geht uns darum, die Gesundheit der Bürger zu fördern“, erklärt Werner Wölfle (Grüne), Bürgermeister für Soziales und gesellschaftliche Integration.

Hirschhausen will Stuttgarter sensibilisieren

Bereits seit Oktober 2016 gibt es den bundeseinheitlichen Medikationsplan. Wer mehr als drei Medikamente verschrieben bekommt, kann ihn von seinem Arzt anfordern. „Aktuell haben wir aber keinen Plan, was bei den Menschen zu Hause wirklich passiert“, kritisiert Eckart von Hirschhausen, der die Schirmherrschaft für MeinPlan Stuttgart übernommen hat. Schätzungsweise die Hälfte aller verschriebenen Medikamente werde gar nicht eingenommen, so der Arzt und Fernsehmoderator. Die Medikationspläne seien oft unvollständig. MeinPlan soll deshalb den bundeseinheitlichen Plan ergänzen. Die Stuttgarter sollen für die Risiken der Arzneimittelanwendung sensibilisiert werden und selbst Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen. Sowohl Ärzte als auch Patienten sollen von einem besseren Überblick profitieren: Wenn man die Liste stets aktuell hält, können Ärzte im Notfall schnell einsehen, welche Medikamente eine Person zurzeit tatsächlich einnimmt.

„Es geht uns dabei insbesondere um Menschen, die sich nicht so leicht selbst helfen können“, sagt Heinz-Peter Ohm vom Gesundheitsamt. Der Plan solle deshalb in mehrere Sprachen übersetzt werden, auch eine Version in einfacher Sprache sei in Arbeit. Das Gesundheitsamt plant außerdem Informationsveranstaltungen in einzelnen Stadtteilen.

Hinweise auf Suchtgefahren

Die neuen Medikationspläne wurden bereits an Ärzte und Apotheker in Stuttgart verschickt. Patienten können sich dort ihren Plan abholen. Zudem gibt es einen E-Medikationsplan, den man unter der Webadresse medikationsplan.aid-klinik.de ausfüllen und aktualisieren kann. Dabei erhalten Bürger weitere Informationen zu den Wirkstoffen. Sie werden etwa auf eine mögliche Suchtgefahr oder die korrekte Einnahme eines Medikamentes hingewiesen.

Bleibt die Frage, wie viele Stuttgarter das Angebot tatsächlich nutzen werden. „Wenn das nicht bei den Bürgern ankommt, dann lassen wir es natürlich auch wieder sein“, sagt Heinz-Peter Ohm. Er hoffe aber, dass MeinPlan die Qualität medizinischer Behandlungen in Stuttgart verbessern werde.