In ihrem Report sagt die AOK, dass weniger Krankenhaus auch mehr sein kann. Foto: dpa

Die Krankenkasse will das Angebot der Hospitäler bündeln. Patienten hätten davon keinen Nachteil, heißt es in einem Report. Kritiker bemängeln weite Anfahrtswege und ziehen die Studie in Zweifel.

Berlin - Die 2000 Krankenhäuser in Deutschland können nach Auffassung des AOK-Bundesverbands zentralisiert und spezialisiert werden, ohne dass die Versorgung von Patienten leidet. Damit verlängerten sich die Anfahrtswege zur Klinik nur in wenigen Regionen, heißt es in einem Bericht, den der Verband am Montag vorstellte. Grundproblem Die Kasse meint, dass heute zu viele Häuser zu viele verschiedene Operationen und Behandlungen durchführen. So habe es 2015 in der Bundesrepublik etwa 44 000 Operationen wegen Darmkrebs gegeben. Diese seien in 1000 Kliniken vorgenommen worden, von denen ein Viertel aber den Eingriff höchstens 17-mal im Jahr vornahm. Ein weiteres Viertel kam auf 18 bis 33 solcher Eingriffe. Wenn es nur noch spezialisierte Zentren für diese OP gebe – also Häuser mit mindestens 50 Darmkrebsoperationen im Jahr – blieben bundesweit 385 Häuser für diesen Eingriff übrig. Damit hätten 2,5 Prozent der Patienten einen Anfahrtsweg zur Klinik von mehr als 50 Kilometern. Heute liegt dieser Anteil bei Darmkrebs-OPs bei 0,03 Prozent.

Je spezialisierter, desto besser

Mangelnde Spezialisierung Reinhard Busse von der TU Berlin hält mangelnde Spezialisierung bei der Versorgung von Herzinfarktpatienten für gefährlich. Er meint, dass es nötig sei, Kranke mit Verdacht auf Herzinfarkt nur in Kliniken einzuliefern, die eine sogenannte Herzkathetereinheit haben. Heute behandelten 1400 Häuser solche Infarkte, weniger als 600 hätten eine Herzkathetereinheit. Und von den 1300 Kliniken, die Schlaganfall-Kranke behandelten, verfügten nur gut 500 über eine Stroke-Unit, also ein spezielles Zentrum zur Therapie des Schlaganfalls. Bedeutung der Fallzahlen Jürgen Klauber vom Wissenschaftlichen Institut der AOK weist darauf hin, dass es zuletzt bundesweit 226 000 OPs gab, bei denen jemand ein künstliches Hüftgelenk bekam. Diese Leistung wird bis jetzt in mehr als 1200 Krankenhäusern erbracht. Würde man nun vorschreiben, dass jedes Haus diesen Eingriff mindestens 100-mal im Jahr vornehmen muss, blieben 827 Kliniken übrig. Medizinisch wäre das, so Klauber, kein Nachteil, denn in Kliniken, die den Hüftgelenkersatz weniger als 50-mal im Jahr durchführen, liegt nach seinen Angaben das Risiko dafür, mit dem neuen Gelenk rasch wieder operiert werden zu müssen, um 82 Prozent höher als in Schwerpunkthäusern. Chancen der Umsetzung Der Bericht der AOK ist ein Vorschlag, mehr nicht. Martin Litsch, der Chef des AOK-Bundesverbands, meint, dass Bund und Länder ein „Zielbild“ für das Jahr 2025 erstellen sollten: „Es sollte festhalten, wo wir mit der stationären Versorgung am Ende der nächsten Legislaturperiode stehen möchten.“ Tatsache ist, dass die Bundesregierung in puncto Krankenhausplanung ohne jeden direkten Einfluss ist, denn diese Planung ist allein Sache der Länder. Das weiß auch der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er sagt, dass nicht jedes Krankenhaus jede Operation anbieten müsse: „Wir brauchen ein intelligentes Versorgungsnetz von der wohnortnahen Kreisklinik bis zur Universitätsmedizin. Die Grundversorgung in den Kliniken vor Ort muss gut genug vergütet werden.“

Bundesländer dürfen selbst entscheiden

Lage in den Ländern Die Klinikstruktur ist von Land zu Land ganz verschieden. Die neuen Länder – und dort vor allem Sachsen – haben nach der Wende die Modernisierung und Spezialisierung vorangetrieben. Nordrhein-Westfalen hingegen ist quasi das Sorgenkind der Branche. Dort gibt es sehr viele alte und wenig spezialisierte Häuser. In Baden-Württemberg hat es schon in der Vergangenheit einige Veränderungen in der Kliniklandschaft gegeben. Aktuell planen Sindelfingen und Böblingen eine Gemeinschaftsklinik anstelle von zwei Häusern. Dass sich die politisch Verantwortlichen vor Ort oft mit der Schließung von Abteilungen oder ganzen Häusern schwertun, hat damit zu tun, dass dies erfahrungsgemäß zu heftigen Protesten der Bürger führt. Kritik Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hält den Bericht für eine „unverantwortliche Verunsicherung von Patienten.“ Er vergleiche Äpfel und Birnen. Bei den Hüftgelenk-OPs dürfe man nicht nur auf die Menge schauen, sondern müsse beachten, welche Eingriffe unter Notfallbedingungen (gebrochene Hüfte) hätten durchgeführt werden müssen. Die machten in manchen Häusern 50 Prozent der Hüftgelenk-OPs aus, und dabei handele es sich oft um Kranke, die im Schnitt 81 Jahre alt seien. Sie hätten oft schwerwiegende Begleiterkrankungen. Die AOK nehme also keine differenzierte Einzelfallbetrachtung vor, heißt es. Kosten Der stationäre Sektor ist mit Abstand der größte Kostenblock der Krankenkassen. Ihre Ausgaben dafür stiegen 2016 auf knapp 74 Milliarden Euro. Zugleich wurden rund 19,5 Millionen Patienten stationär behandelt, 1,4 Prozent mehr als 2015. Dafür standen in bundesweit 1948 Krankenhäusern knapp 500 000 Betten zur Verfügung.