Kranführer Theo hat aus seiner Kanzel einen atemberaubenden Blick. Foto: dpa

Baukräne, Brückenpfeiler und Hilfs- stützen prägen derzeit das Bild im oberen Filstal. Der Bau der dritthöchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands geht langsamer voran als geplant – und hält Arbeitsplätze bereit, die es so im Land nicht noch einmal gibt.

Mühlhausen im Täle - Der Kopf liegt im Nacken, der Blick geht hinauf in den Himmel. Dort liegt einer der ungewöhnlichsten Wege zur Arbeit, die es derzeit in Baden-Württemberg gibt. Er ist nicht besonders lang, aber 80 Meter hoch und führt über Hunderte Leitersprossen. Ganz oben, winzig klein, wartet eine luftige Kanzel mit Sitzplatz. Dorthin steigen die Kranführer beim Bau der Filstalbrücke jeden Morgen. Und abends wieder hinunter. Dazwischen steuern sie hoch konzentriert das gewaltige Gerät. „Zur Mittagspause runterzukommen, lohnt sich nicht“, sagt der Polier lapidar unten am Boden – und wünscht einen angenehmen Aufstieg.

Direkt unter den Füßen rauscht der Verkehr auf der A 8 die Alb hinauf. Knapp darüber münden die beiden Röhren des Steinbühltunnels. Auf der anderen Seite des Tals klaffen ebenfalls zwei Löcher im Hang – die Portale des Boßlertunnels. Dazwischen entsteht derzeit eines der spektakulärsten Bauwerke des Landes. Die Filstalbrücke wird im Zuge der Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm künftig die beiden Tunnel verbinden. Für Fahrgäste heißt das: Raus aus dem Dunkel, in sieben Sekunden übers Filstal und wieder rein in den Berg. Es entstehen zwei separate Brücken direkt nebeneinander, knapp 500 Meter lang und 85 Meter hoch. „Das ist auch für die Bahn etwas Besonderes“, sagt Igor Zaidman, der Chef der Brückenbaustelle.

50 Meter Brücke sind betoniert

Mit jedem Meter werden die Menschen am Boden kleiner. Ringsum nur Metallstreben und viel Luft. Die Oberschenkel brennen. Oben dreht sich der Ausleger fast lautlos. Und bietet allen, die sich nicht nur für die Arbeit interessieren, ein umwerfendes Panorama. Kranführer Theo kommt, wie alle seine Kollegen hier, aus Rumänien und spricht kaum Deutsch. Der Job ist für ihn Routine. Dabei sitzt er am höchsten Arbeitsplatz der Baustelle: Der Kran steht 80 Meter über der Talsohle und ist noch mal 80 Meter hoch. 160 Meter Luft direkt unter den Füßen, höher als die Aussichtsplattform des Stuttgarter Fernsehturms. Zwar sind zwei der vier Kräne auf der Baustelle sogar 100 Meter hoch, aber sie stehen unten im Tal.

Zurück auf dem Boden zittern die Muskeln. Doch luftige Arbeitsplätze gibt es hier noch mehr. Zum Beispiel auf der anderen Talseite. Dort, wo derzeit das erste Stück der ersten Brücke betoniert wird. 50 Meter sind fertig, die zweiten in der Entstehung. Dafür wird eine außergewöhnliche Technik eingesetzt: Eine 800 Tonnen schwere Stahlkonstruktion, die sogenannte Vorschubrüstung, dient zum Betonieren. Sind 50 Meter geschafft, wird der untere Teil des Stahlmonsters zur Seite geklappt und der Koloss nach vorne geschoben. So geht das weiter, bis die andere Talseite erreicht ist – dann wird gewendet und Brücke Nummer zwei folgt.

Dem Zeitplan mehrere Monate hinterher

Arbeiter turnen über die Konstruktion, die Mittagspause ist vorbei. Vorne und an den Rändern geht es knapp 100 Meter hinunter ins Tal. Dort plätschert die Fils. Noch ist viel Luft zwischen den bereits in den Himmel ragenden Brückenpfeilern. Denn der Bau schreitet nicht so schnell voran wie ursprünglich geplant. Um „wenige Monate“ liege man hinter dem Zeitplan, sagt ein Bahnsprecher. Grund dafür sei, dass man am Anfang der komplizierten Arbeiten länger gebraucht habe als veranschlagt. Man sei aber zuversichtlich, dass die Baufirmen die Verzögerung aufholen könnten, denn inzwischen liefen die Arbeiten reibungslos.

Viel zu tun also für die Männer in ihren luftigen Kanzeln. Und noch viele Gelegenheiten, einen der ungewöhnlichsten Arbeitswege des Landes hinter sich zu bringen.