Der Projektleiter Jens Rathert (links) und der Oberbauleiter Christoph Greiner diskutieren vor dem 40 Meter hohen Wärmespeicher technische Details. Foto: Jürgen Brand

Die Heizperiode ist vorbei, die Kohlehalde ist leer, in diesen Tagen wird der Kohlebrenner des alten Kraftwerks abgeschaltet. Gleichzeitig gehen die Arbeiten an den Anlagen des neuen Gasheizkraftwerks zügig weiter.

S-Ost - Heute, Montag, oder am Dienstag ist es schon so weit: Die winterliche Heizperiode ist vorbei, die Kohlehalde beim Heizkraftwerk Gaisburg ist ein für alle Mal leer; der Kohlebrenner hat ausgedient und wird endgültig abschaltet. In dem Kraftwerk wird nie mehr Kohle verbrannt, um Fernwärme zu erzeugen. Voraussichtlich von Dezember an kommt die Fernwärme aus dem neuen Gasheizkraftwerk, das zurzeit in bemerkenswertem Bautempo direkt neben dem alten Kraftwerksblock entsteht. Gerade hat der neue Wärmespeicher seine endgültige Höhe erreicht; in dieser Woche wird der große Transformatorblock als letztes großes technisches Bauelement geliefert und aufgestellt, im Mai werden die großen Gasmotoren zum ersten Mal laufen. Es sind also geschichtsträchtige und spannende Wochen auf dem Kraftwerksareal, vor allem auch für den neuen Leiter des Bauprojekts, Jens Rathert.

„Ich bin inzwischen drei Tage hier auf der Baustelle und nur noch zwei Tage in der EnBW-City auf dem Fasanenhof“, sagt der 37-Jährige. „Die Zeit der Planungen im Büro ist ja vorbei, jetzt gibt es jeden Tag immer mehr Dinge hier vor Ort zu klären.“ Rathert hat die Projektleitung von Diana van den Bergh übernommen, die das neue Kraftwerk auf den Weg gebracht hat, sich inzwischen aber im Mutterschutz befindet.

Von Minden über Lubmin nach Stuttgart

Rathert stammt gebürtig aus Minden und hat Verfahrenstechnik in Wilhemshaven studiert, sich also intensiv mit allen möglichen Vorgängen im Umgang mit Gasen und Flüssigkeiten beschäftigt. 2004 kam der Diplom-Ingenieur zur Energie Baden-Württemberg (EnBW) nach Karlsruhe und durchlief dort das Traineeprogramm. Später arbeitete er an einem Planungsprojekt am Ende der großen Nord-Stream-Pipeline in Lubmin bei Greifswald mit. Die Gaspipeline führt vom russischen Wyborg unter der Ostsee hindurch nach Deutschland. Von 2010 bis 2015 war Rathert Projektleiter bei der Planung eines Gaskraftwerks der Stadtwerke Düsseldorf, einem Tochterunternehmen der EnBW.

Das Projekt in Düsseldorf war zwar etwa drei Mal so groß wie das Bauprojekt in Gaisburg, allerdings ist das neue Gasheizkraftwerk hier mit seinen unterschiedlichen Komponenten technisch anspruchsvoller. Rathert, der mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern in Kaltental wohnt, war zunächst Technischer Projektleiter, bevor er jetzt die Gesamtleitung für die neue Anlage übernommen hat.

40 Meter in die Höhe gedreht

In den vergangenen Wochen hat Jens Rathert immer wieder staunend beobachtet, wie der neue Wärmespeicher im wahrsten Sinn des Wortes in die Höhe geschraubt wurde. Der Speicher ist mit seinen 40 Metern Höhe neben den Schornsteinen das markanteste Bauwerk der neuen Kraftwerksanlage. Er ruht auf 123 Betonpfählen und einem besonders starken Fundament. Der Speicher entstand im sogenannten Spiralverfahren. Das bedeutet vereinfacht erklärt, dass zunächst der Deckel montiert und auf die ersten Stahlbleche gesetzt wurde. Die weiteren Bleche werden dann sozusagen unten hineingedreht und verschweißt, sodass sich der Zylinder immer weiter in die Höhe dreht. Ende vergangener Woche wurde das letzte Blech verschweißt, der Speicher hat seine endgültige Höhe erreicht. Außen sieht er gerade noch rostig aus, das wird sich in den nächsten Wochen ändern, wenn die Außenhaut entsprechen behandelt, isoliert und dann mit den gleichen Fassadenblechen wie das Hauptgebäude verkleidet wird.

Nach der Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks wird der Speicher im Prinzip wie eine große Thermoskanne funktionieren, mit dem Unterschied, dass in den Speicherzylinder 11 Millionen Liter Wasser passen. Im oberen Bereich wird das Wasser etwa 98 Grad heiß sein, unten wird es 70 bis 80 Grad haben, was der Temperatur des aus den Fernwärmeleitungen zurücklaufenden Wassers entspricht. Insgesamt können so rund 300 Megawattstunden Wärme gespeichert werden, das entspricht dem Jahresverbrauch von etwa 40 Einfamilienhäusern. Das klingt zunächst nicht viel. Allerdings steht diese Energiemenge durch die Umwälzung bei Bedarf praktisch ständig zur Verfügung.

Der Zeitplan für die Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks steht laut Rathert unverändert. Der Probebetrieb ist für Dezember geplant, zum Jahreswechsel übernimmt die neue Anlage dann die Funktionen des bisherigen Kraftwerks endgültig. So lange werden die beiden mit Gas betriebenen Turbinen der alten Anlage noch benötigt. Anschließend beginnt 2019 die Stilllegung des alten Kraftwerks. Das betrifft vor allem das technische Innenleben und hat nichts mit einem möglichen Abriss zu tun. Darüber ist nach wie vor keine Entscheidung gefallen.