Ungezwungene Stunden: ukrainische Kinder zu Besuch im Kreativatelier der Stuttgarter Behinderteneinrichtung BHZ. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Was tun gegen die negative Stimmungslage? Zum Beispiel Kraftorte aufsuchen. Davon gibt es in Stuttgart viele, meint Jan Sellner.

Krieg, Klimawandel, Energiekrise, Mord und Totschlag, Inflation. „Haltet die Welt an. Ich will aussteigen.“ Der alte Spruch wirkt aktueller denn je. Doch zum Glück gibt’s neben dem belastenden Großen und Ganzen auch das kleine Liebenswerte in der Stadt! Bei genauem Hinschauen kommen Dinge und Orte zum Vorschein, die einem den Glauben an die Menschheit zurückgeben oder sagen wir: an die Stadtgesellschaft. Zu solchen positiven Orten führt der heutige kurze Gedankenausflug. Sightseeing mal anders.

Erste Halte- und Auftankstelle ist das Kreativatelier der Behinderteneinrichtung BHZ in der Dornbirner Straße in Feuerbach, Heimat der stadtbekannten Holz-Männle. Dort arbeiten Menschen, die ein Handicap haben und zugleich eine große Begabung: Sie können – wie der fabelhafte Kleine Prinz – nämlich mit dem Herzen sehen. Die Sprüche, die dort an den Wänden stehen, handeln nicht vom Aussteigen, sondern vom Mutmachen: „Höre alten Leuten zu“, „Schreibe Liebesbriefe“ oder „Schaukle so hoch Du kannst“. Diese Insel inmitten der Großstadt versetzt Besucher in Staunen. Zuletzt ukrainische Kinder und ihre Mütter, die auf Initiative unserer Redaktion und des BHZ hier ungezwungene Stunden erlebten – jenseits des Krieges und der vielen Sorgen.

Ein Kontrastprogramm zur Niedergeschlagenheit

Nächster Halt auf der Fahrt zu Stuttgarter Kraftorten ist die Waldau. Dort kommen an diesem Sonntag Läuferinnen und Läufer zusammen, die auf Initiative der Kinderstiftung und des Sportkreises beim 24-Tage-Lauf für Kinderrechte das Herz in die Hand und die Beine unter die Arme genommen haben, um Kinderprojekte zu unterstützen. Von dort aus empfiehlt es sich, Kurs auf den Kräherwald zu nehmen, wo nächsten Sonntag der MTV Stuttgart ebenfalls einen Spendenlauf ausrichtet. Auch das in der Absicht, im Kleinen Gutes zu bewirken. Konkret geht es um Inklusionsprojekte für den Sport.

Die Tour der Hoffnungen durch Stuttgart lässt sich beliebig lange fortsetzen. An vielen Stellen in der auch sonst heiter vibrierenden Stadt finden sich Beispiele für menschliche Zugewandtheit – seien es Charity-Veranstaltungen oder das wöchentliche Tanzen im Rosengarten der Villa Berg. Dieses bürgerschaftliche Kontrastprogramm zur Niedergeschlagenheit hält die Stuttgarter Welt am Laufen. Nicht anhalten und aussteigen ist das Gebot der Stunde, sondern einsteigen.