Ein Blick in die Kirche St. Fildelis. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die katholische Kirche nimmt 2,8 Millionen Euro für den Bau eines spirituellen Zentrums in die Hand. Aber die Sache sei es wert, sagen Bischof Gebhard Fürst und Stadtdekan Christian Hermes. „Wir müssen versuchen, diese Stadtkultur spirituell zu reflektieren und mit unserer Tradition verbinden“, sagt Hermes.

Stuttgart - Der kluge Mann baut vor – und investiert in die Zukunft. Die katholische Kirche Stuttgart nimmt das geflügelte Wort wörtlich und verbaut 2,8 Millionen Euro. Damit werden je zu gleichen Teilen die Kirche samt Pfarrhaus von St. Fidelis saniert und das neue spirituelle Zentrum errichtet, das im Sommer 2019 eröffnen soll. Damit könnte ein Ort entstehen, in dem spirituell Suchende des 21. Jahrhunderts Antworten auf ihre existenziellen Fragen finden. Auch über Religionsgrenzen hinweg.

Genau aus diesem Grund ist das spirituelle Zentrum in den Gemeinden nicht unumstritten. Manche Stuttgarter Katholiken fürchten, dass dort zu viel fernöstliche Kultur und Religion die eigene Glaubenswelt aushöhlen könne. „Manche fragten tatsächlich, ob wir dort jetzt nur noch Zen machen wollen“, sagt Kirstin Kruger-Weiß, die für den Aufbau des spirituellen Zentrums verantwortlich ist.

Auslöser für die Befürchtungen sind offenbar die konzeptionellen Anleihen bei Willigis Jägers Benediktushof und dem Lassalle-Haus in Bad Schönbrunn von Gründer Hugo E. Lassalle. Jäger (Benediktiner) und Lassalle (Jesuit), beides Zenmeister, wurden sowohl von der christlich-abendländischen Mystik als auch dem buddhistischen Zen geprägt. Anlass genug für den damaligen Glaubenswächter Kardinal Joseph Ratzinger dem Benediktiner-Pater Jäger im Dezember 2001 alle öffentlichen Tätigkeiten wie Vorträge, Kurse und Veröffentlichungen zu untersagen. Der Vorwurf lautete: Willigis Jäger verfälsche den personalen christlichen Gottesbegriff.

Christentum als Basis

Um so eine Diskussion um das Stuttgarter spirituelle Zentrum bereits im Keim zu ersticken, beruhigt Kruger-Weiß bei der vergangenen Sitzung des Dekanatsrats die Delegierten. Mit jeder Silbe ihres Vortrags betont sie das christliche Fundament, auf dem das spirituelle Zentrum stehe: „Menschen sollen dort den Liebesatem Gottes spüren, sie sollen geistliche Kraftquellen für den Alltag finden.“

Unterstützung findet das Projekt von höchster Stelle. Bischof Gebhard Fürst beglückwünschte die Projektgruppe des spirituellen Zentrums nach einem Ortstermin ausdrücklich. Dieses Zentrum sei notwendig, so Fürst. Er trage es mit. „Er findet sowohl die Inhalte als auch das Raumkonzept gut“, sagt Kruger-Weiß und erklärt die Gestaltung des Raums: Für den Kirchenraum werde eine Ausrichtung als Communio-Kirche vorgeschlagen, bei welcher der Ambo und die Altarinsel in der Längsrichtung der Kirche angeordnet seien, dass Tisch des Wortes und Tisch des Mahles als Mitte erfahrbar würden. Je nach Art der Liturgie kann die Bestuhlung variieren. Der Einbau des Binnenchors soll ausgeweitet und vergrößert werden, um bestmögliche Nutzung zu ermöglichen. Der Binnenchor soll zum Kirchenraum hin schließbar sein, so dass eine konzentrierte Meditation oder Anbetung möglich ist.

Hermes macht sich stark

Jüngst betonte auch Stadtdekan Christian Hermes die Bedeutung dieser Investition. Er berichtete davon, dass es Diskussionen über die Konzeption gegeben habe. Die Fragen der Zweifler lauteten: „Was machen wir da? Was darf dort geschehen, und wie katholisch ist das?“ An diesen Punkt knüpft Hermes an: „Es reicht nicht, einen Ort zu haben, wo das Stundengebet gebetet wird. Wir müssen versuchen, diese Stadtkultur spirituell zu reflektieren und mit unserer Tradition zu verbinden.“ Angesprochen werden sollen nicht nur Kirchenmitglieder, sondern Menschen in der Großstadt, die sich auf der Suche nach Sinn und Kraftquellen befinden. Zuletzt erklärte er, dass dieses Projekt die Flughöhe von Stuttgart überschreite. Kirstin Kruger-Weiß bestätigt: „Wir haben sogar schon Anfragen aus Berlin.“