Im Schwarmarkt gehen auch Anwohner vom Kräherwald und Umgebung einkaufen. Foto: Sybille Neth

Die Nikolauspflege sucht für ihren von Jugendlichen betriebenen Lebensmittelladen ehrenamtliche Helfer.

S-West - Habt ihr noch welche von euren leckeren Käselaugenstangen“, fragt die Kundin. Doch jetzt am Nachmittag sind alle verkauft. Vor allem in der Frühstückspause des Schulzentrums ist Hochbetrieb beim Schwarzmarkt. Aber ganz ohne Backwaren verlässt die Frau aus der Nachbarschaft den Laden nicht. Das Angebot in dem kleinen Geschäft an der Straße am Kräherwald ist groß: Die Kundin entscheidet sich statt für Käselaugenstangen für süße Stückchen zum Kaffee.

Den könnte sie auch an einem der kleinen Tische im Laden trinken. Dort servieren ihn vormittags Schüler des Schulzentrums für Blinde, Sehbehinderte und Mehrfachbehinderte der Nikolauspflege. Nachmittags wird der Betrieb im Schwarzmarkt von Mitarbeitern der Werkstätte für Behinderte aufrecht erhalten. Zum Beispiel von Ben Wohlgemuth, der hier seit vier Jahren arbeitet. Er macht Milchkaffee und Cappuccino, backt Apfeltaschen, Streuselschnecken und andere süße Teilchen, macht Bestellungen und sieht zu, dass bei Ladenschluss um 17 Uhr alles sauber ist und die Geräte ausgeschaltet sind. „Die Leute kennen mich, denn ich wohne in der Gegend“, erzählt Wohlgemuth. Eine Kundin hat ihn sogar mal zu ihrer Silvesterparty eingeladen. „Ich habe Schwierigkeiten, Unebenheiten zu erkennen“, erklärt Ben Wohlgemuth. Auch die Hektik in der Nachmittagspause wenn alle gleichzeitig bedient werden wollen, macht ihm zu schaffen.

Der Laden braucht ehrenamtliche Unterstützung

„Mit überraschenden Situationen umzugehen, fällt allen Menschen mit einer Behinderung schwer“, erklärt Rüdiger Nickel. Er ist Lehrer am Schulzentrum und Projektleiter des Schwarzmarktes. „Unsere Schüler und die Mitarbeiter aus der Werkstatt für Behinderte brauchen klare Strukturen.“ Damit die auch in stressigen Situationen aufrecht erhalten bleiben, wünscht sich Nickel ehrenamtliche Unterstützung. Sein Stundendeputat für den Laden reicht schon nicht mehr aus. „Ich werde im Unterricht immer wieder angerufen, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert ist. Ich würde gerne mit ehrenamtlichen Helfern Tandem-Teams bilden.“

Das würde den Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Laden Sicherheit geben. Wenn etwas schief ginge, wäre jemand da, der helfen oder zwischendurch auch einmal eine Besorgung machen könnte. Außerdem sucht Nickel immer neue Betätigungsfelder für die Schüler im Laden. Zum Beispiel findet er, dass die Wände gestrichen werden könnten. Im Frühjahr will er den Bereich für die Außenbewirtung vergrößern. Auch dazu wären ehrenamtliche Helfer willkommen. Die Arbeit im Schwarzmarkt ist praktisches Lernen. Damit ist das Geschäft weit mehr als ein Tante-Emma-Laden. Hier eignen sich die Schüler den Umgang mit Lebensmitteln an; hier schnuppern sie in den kaufmännischen Bereich hinein; hier üben sie ihre Umgangsformen beim Bedienen der Kundschaft; hier übernehmen sie Verantwortung.

Der Schwarzmarkt ist gelebte Inklusion

Die Rollen sind anders verteilt als im gesellschaftlichen Leben. Im Schwarzmarkt bieten Behinderte eine Dienstleistung an. Somit ist der Laden ein Beispiel für Inklusion. „Obwohl wir nicht so tun, als sei hier alles ganz normal“, betont Nickel. Er will mit den Tätigkeiten im Geschäft den Schülern Anregungen für ihre spätere Berufswahl geben.

Auf der Suche nach einem geeigneten Job ist auch Daniel Steschulat, der ein sechsmonatiges Praktikum absolviert und ganztags im Schwarzmarkt die Fäden in der Hand hält. In seinem erlernten Beruf kann er wegen seiner Sehbehinderung nicht mehr arbeiten.

Vor acht Jahren hat der Schwarzmarkt eröffnet. Sein Erfolg lässt sich daran ablesen, dass er anfangs nur an zwei Vormittagen in der Woche geöffnet hatte. Inzwischen können Schüler und Anwohner hier von Montag bis Freitag zwischen 9.30 Uhr bis 17 Uhr einkaufen. Es gibt Honig aus eigener Herstellung, Waren aus fairem Handel, Obst, Backwaren, Kuchen, Wurst oder Eier. „Die Leute, die hier wohnen, haben einen weiten Weg bis zum nächsten Supermarkt. Deshalb haben wir das Sortiment so ausgerichtet, dass man bei uns das bekommt, was man beim Großeinkauf vielleicht vergessen hat“, sagt Rüdiger Nickel.